Mohring trifft:

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Den Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie e.V., Ralf-Uwe Beck

Mehr Demokratie e.V.: Rot-Rot-Grün soll Vorschlag der CDU aufgreifen

Rot-Rot-Grün soll sich für den Vorschlag der CDU-Fraktion für die Einführung fakultativer Referenden öffnen. Das fordert der Vorsitzende von Mehr Demokratie e.V., Ralf-Uwe Beck, im Gespräch mit Thüringens CDU-Fraktionsvorsitzendem und der DruckSache. Eine entsprechende Verfassungsänderung hat die Union im Juni 2016 auf den Weg gebracht. Sie soll den Bürgern die Möglichkeit verschaffen, zu einem vom Landtag verabschiedeten Gesetz eine Volksabstimmung zu verlangen (siehe Info-Kasten Seite 5). Thüringens Linkskoalition hat sich bisher nicht auf eine Verhandlungsposition zu diesem Vorschlag geeinigt. Mohring riet Rot-Rot-Grün, Gespräche über die Verfassungsänderung nicht mit weiteren Forderungen zu überfrachten. Zugleich will der Fraktionschef bei der Ausgestaltung der Verfahren auf die Koalitionsfraktionen zugehen.

Beck bezeichnete fakultative Referenden als „Schutzmittel gegen jede Politik, die von sich behauptet, alternativlos zu sein“. Nach seiner Überzeugung hören Politiker besser zu und es fließen mehr Gesichtspunkte in die notwendigen Abwägungsprozesse ein, wenn Bürger nach einem Parlamentsbeschluss korrigierend eingreifen können. „Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Wenn das fakultative Referendum gut funktioniert, wird seine Anwendung am Ende vermieden“, so der Vorsitzende von Mehr Demokratie wörtlich. Für Mohring ist das Schweigen der Linkskoalition überraschend. Er warf Rot-Rot-Grün indirekt „Angst vor dem Volk“ vor.

Mit punktuellen Ergänzungen will Mohring der Linkskoalition diese Ängste nehmen. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Union sollen 50.000 Wahlberechtigte in 100 Tagen eine Volksabstimmung zu einem vom Landtag beschlossenen Gesetz verlangen können. Davon sollen eilbedürftige Gesetze nun genauso ausgenommen werden wie solche, zu denen offensichtlich kein Abstimmungsbedarf besteht. Das soll durch ein einfaches Anzeigeverfahren geklärt werden. Gesprächsbereit ist Mohring auch über das so genannte Finanztabu, wenn es im Zusammenhang mit Fakultativen Referenden steht.

Interview Ralf-Uwe Beck und Mike Mohring

Der Vorstoß der CDU-Fraktion für fakultative Referenden hat überrascht. Bisher sind sie nicht als Taktgeber in Sachen direkter Demokratie in Erscheinung getreten:

Mohring: Unsere Aufgaben in der Opposition haben uns einen Perspektivwechsel beschert. Wir sehen, wie Rot-Rot-Grün über die Köpfe der Bürger hinweg regiert und gar das Volks-begehren gegen die Gebietsreform verklagt, obgleich sich alle Parteien der Linkskoalition bisher scheinbar als Lordsiegelbewahrer der direkten Demokratie aufgeführt haben. Wir haben daraus unsere Schlüsse gezogen und dazugelernt. Wenn bei den Bürgern das Gefühl bleibt, nicht gehört zu werden und nichts entscheiden zu können, stärkt das die Populisten. Dem wollen wir mehr demokratische Beteiligung entgegensetzen und Brücken in die demokratische Mitte bauen.

Beck: Es ist erfreulich, dass die CDU-Fraktion ihren Vorschlag offensichtlich mit Nachdruck verfolgt. So deutlich hat das bisher noch nie jemand in Gesetzesform gegossen. Erstmals würde die direkte Demokratie in Deutschland mit dem Initiativ- und dem Vetorecht tatsächlich auf zwei Beinen stehen. Ich ermuntere die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion, diese Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Wir alle würden gewinnen, Wähler und Gewählte.

Beck: Die CDU hat uns endlich einmal positiv überrascht. Das fakultative Referendum gehört zu den Kernforderungen von Mehr Demokratie. Die direkte Demokratie sollte auf zwei Beinen stehen, das Volk sollte notfalls das erste und letzte Wort haben können. Per Volksbegehren ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das bietet die Thüringer Verfassung an. Was fehlt, ist die Möglichkeit, ein Gesetz zu korrigieren, also das letzte Wort einzufordern. Diesen Zweck haben fakultative Referenden. Die repräsentative Demokratie wird dadurch repräsentativer.

Das müssen Sie uns erklären.

Mohring: Für mich ist wichtig: Wenn die Bürger eine Entscheidung des Parlaments bestätigen oder gegebenenfalls korrigieren können, belebt das die Debatte über die anstehenden Entscheidungen im Parlament. Im Idealfall erkennen kluge Politiker, wenn sich besonders heftige Diskussionen über ein Vorhaben abzeichnen. Dann suchen sie gleich einen Weg, der möglichst viele Interessen berücksichtigt. Vor allem aber wollen wir mehr Sorgfalt, die intensivere Begründung von Gesetzesvorhaben und Entschleunigung. Außerdem wollen wir dem Landtag ganz bewusst eine Reaktionsmöglichkeit an die Hand geben, wenn 50.000 Bürger einen Volksentscheid durchgesetzt haben. Dann soll das Parlament nach einer erneuten Abwägung ein überarbeitetes Gesetz mit zur Abstimmung stellen können. So kann es zeigen: Wir haben verstanden.

Beck: Im Grunde handelt es sich um ein Schutzmittel gegen jede Politik, die von sich behauptet, alternativlos zu sein. Können die Bürger Politik korrigieren, fördert das die demokratische Meinungsbildung, sie wird breiter und tiefer. Es wird genauer zugehört, mehr Gesichtspunkte fließen in die notwendigen Abwägungsprozesse ein. Das Gespräch ist die Seele der Demokratie. Wenn das fakultative Referendum gut funktioniert, wird seine Anwendung am Ende vermieden. Im Übrigen kommen die Bürger aus der Rolle der Bittsteller heraus. Mit einem wichtigen Begleiteffekt. Sie können dann nicht mehr so leicht mit dem Finger auf die da oben zeigen, wenn sie selbst verbindlich etwas bewegen können.

Das klingt alles ganz wunderbar, aber die Reaktionen seitens Rot-Rot-Grün darauf waren doch eher verhalten.

Mohring: Das hat uns in der Tat überrascht. Seit einem Jahr warten wir jetzt auf ein Verhandlungsangebot der Linkskoalition über den Vorschlag. Alle haben sie bisher die direkte Demokratie hochgehalten. Nun hören wir, die Gesetzgebung werde ins Koma versetzt; die Möglichkeit eines Referendums durch das Volk sei ein Blockadeinstrument. Die Abgeordneten der CDU jedenfalls haben keine Angst vor dem Volk. Weshalb auch sollten die Bürger zwischen den Wahlen weniger klug sein als zu den Wahlen, bei denen wir auch um genau deren Zustimmung bitten.

Beck: Ich erwarte, dass die Koalitionsparteien sich für den Vorschlag der CDU-Fraktion öffnen. Sie sollten ihre Vorstellungen auf den Tisch legen, und dann müssen sich alle aufeinander zu bewegen. Es ist auch für Mehr Demokratie nicht so, dass mit dem Fakultativen Referendum all unsere Wünsche erfüllt wären.

Was sollte aus Ihrer Sicht denn mit angefasst werden?

Beck: Zwei Punkte will ich nennen. Das so genannte Finanztabu, also die Vorschrift, dass mit Volksbegehren nichts durchgesetzt werden darf, das Geld kostet, muss weg. In der Schweiz kann man gut sehen, dass das Volk viel sparsamer ist als der Gesetzgeber und viel weniger Kredite bewilligt, wenn es mit entscheidet. Wenn sich der Zopf schon nicht abschneiden lässt, sollte man das Finanztabu wenigstens lockern.

Mohring: Wir sollten zunächst ein-mal abwarten, ob der Thüringer Verfassungsgerichtshof sich dazu äußert. Gerade erörtert er die Klage der Landesregierung gegen das Volksbegehren zur Gebietsreform. Die hat sich mit der Aufhebung des Vorschaltgesetzes zwar erledigt. Sofern das Gericht ein öffentliches Interesse bejaht, würde die verfassungsrechtliche Einordnung des Finanztabus dennoch geprüft werden. Darüber wird der Verfassungsgerichtshof demnächst entscheiden. Unabhängig davon erneuere ich ein Angebot: Über Fragen zum Landeshaushalt, die sich aus fakultativen Referenden ergeben, sind wir gesprächsbereit.

Und ihr zweiter Punkt, Herr Beck?

Beck: Die erforderlichen Stimmen zur Einleitung eines Volksbegehrens, eines Bürgerantrags und eines fakultativen Referendums müssen zusammenpassen. Zehn Prozent Stimmberechtigte zur Einleitung eines Volksbegehrens, also zurzeit etwa 180 000, diese Hürde ist zu hoch. Für ein fakultatives Referendum sollen, was wir begrüßen, lediglich 50 000 genügen. Das ist eine Unwucht. Und dass es 50 000 Unterschriften braucht, um mit einem Bürgerantrag von außen schlicht ein The-ma auf die Tagesordnung des Landtags zu setzen, ist auch unverhältnismäßig.

Mohring: 50.000 ist keine gegriffene Zahl. So viele Stimmen benötigt man etwa, um bei einer eher mittelmäßigen Wahlbeteiligung mit Fraktionsstärke in den Landtag zu kommen. Und die Hürde ist auch nicht zu hoch. Die Arbeitsgemeinschaft Selbstverwaltung hat mit ihren Unterschriftensammlungen gezeigt, dass man sie überwinden kann, wenn ein Thema auf den Nägeln brennt. Einen Hinweis greife ich jedoch gern auf. Wenn beim Volks-begehren das Quorum sich an einem bestimmten Prozentanteil der Stimm-berechtigten orientiert, dann sollte das beim fakultativen Referendum und dem Bürgerantrag auch so sein.

Ich entnehme daraus, dass Ihr Gesetzentwurf nicht in Stein gemeißelt ist, sondern ein Diskussionsangebot?

Mohring: Eine zweigeteilte Antwort. Erstens: Rot-Rot-Grün sollte die Verhandlungen nicht mit weiteren Forderungen überfrachten, sondern die Chance ergreifen, das fakultative Referendum jetzt mit uns zu verwirklichen. Denn mit unserem Vorschlag haben wir uns weit auf die Koalitionsfraktion zu bewegt. Sie deuteten es eingangs an. Zweitens: Ich habe Punkte genannt, bei denen wir verhandlungsbereit sind. Einen weiteren füge ich hinzu. Damit niemand den Stillstand der Gesetzgebung fürchten muss, sollten wir eilbedürftige Gesetze vom fakultativen Referendum ausklammern. Und wir könnten über ein Anmeldeverfahren für fakultative Referenden mit einer niedrigeren Hürde sprechen. Meldet niemand an, kann ein Gesetz nach Beschlussfassung in Kraft treten. Blockiert Rot-Rot-Grün all dies, werden wir unseren Vorschlag in unser Wahlprogramm aufnehmen.