Mohring trifft:

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Justus Kehrl, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Steuerzahler Thüringen e.V.

Justus Kehrl, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Steuerzahler Thüringen e.V.

Herr Kehrl, Thüringen gibt in diesem Jahr so viel Geld aus wie nie. Das Land scheint es sich aber auch leisten zu können. Neue Schulden werden nicht gemacht. Der Bund der Steuerzahler ist dennoch nicht zufrieden.

Kehrl: Es sind die Bürger und Unternehmen, die mit Steuern und Abgaben die Kassen füllen. Angesichts der glänzenden Einnahmesituation könnte und müsste viel mehr Geld in die Tilgung der Landesschulden fließen. Und ganz und gar unverständlich ist, wenn unter solchen finanziellen Bedingungen auch noch die Rücklage ausgeräumt werden soll. Was ist denn dann in weniger guten Zeiten?

Mohring: Rot-Rot-Grün hat rund zweieinhalb Milliarden mehr zur Verfügung, als Thüringen im Krisenjahr 2008 einnehmen konnte. Wenn der Haushalt Ende Januar zur Abstimmung steht, werden wir deshalb auch eine deutlich höhere Schuldentilgung fordern. Außerdem wollen wir erreichen, dass nicht knapp eine Milliarde Euro an Rücklagen verbraucht werden, sondern für Zukunftsinvestitionen Geld zurückgelegt wird. Und wir erwarten, dass das Land für die Pensionen der Beamten in einem Generationenfonds vorsorgt.

Da sagt die Finanzministerin aber: Tun wir doch, in dem wir für jeden neu eingestellten Beamten Schulden abbauen…

Mohring: Das ist grundsätzlich zu begrüßen, aber leider nur die halbe Miete. Denn damit ist noch kein Euro zurückgelegt, der für Pensionen ausgegeben werden kann. Deshalb wollen wir, dass der Pensionsfonds mit 280 Millionen Vermögen in einem Generationsfonds weiter geführt und unter anderem durch Zinsen aufgefüllt wird, die das Land spart, wenn es für neue Beamte Schulden abbaut. Für jeden neuen Beamten muss vom ersten Tag an vorgesorgt werden. Mit einem solchen Fonds können Spitzen bei den Pensionslasten abgefedert werden, mit denen besonders um das Jahr 2030 herum zu rechnen ist.

Kehrl: Ich will nicht verhehlen, dass der Steuerzahlerbund bei Verbeamtungen zurückhaltend ist. Bei hoheitlichen Aufgaben sind sie richtig, bei Lehrern sehen wir keine Notwendigkeit.

Dennoch können die Aufgaben des Landes nur durch Bedienstete erledigt werden, die dann irgendwann auch im Ruhestand sind. Und die Personalausgaben machen rund 28 Prozent des Haushalts aus. Das ist kein deutscher Spitzenwert.

Kehrl: Zu den unbequemen Wahrheiten gehört, dass die Einwohnerzahl Thüringens sinkt und damit absehbar auch die Einnahmen. Zu diesen unbequemen Wahrheiten gehört außerdem, dass der Freistaat verglichen mit anderen Flächenländern den zweithöchsten Personalbestand hat, jedenfalls gemessen an der Einwohnerzahl. Hier muss die Landesregierung endlich ihre Hausaufgaben machen. Wo bleibt die Aufgabenkritik? Kurz gesagt: Was muss wirklich durch Land und Kommunen erledigt werden, auf welcher Ebene und wie detailliert? Wenn Bürokratie abgebaut wird, benötigt man auch weniger Bedienstete.




Mohring: Die Dramatik zeigen drei Zahlen. 2014, dem letzten Jahr einer CDU-geführten Landesregierung, hat Thüringen rund 2,4 Milliarden Euro für Personal ausgegeben. 2021, soweit reicht die Mittelfristige Finanzplanung, werden es bereits über drei Milliarden sein. Doch Rot-Rot-Grün streckt den Personalabbau. Das führt dazu, dass 2030 mit 3,8 Milliarden Euro Personalausgaben zu rechnen ist. Das ist unverantwortlich.

Moment einmal. Auch die CDU-Fraktion fordert mehr Personal, in den Schulen und bei der Polizei zum Beispiel.

Kehrl: Die Polizei ist auch aus unserer Sicht personell in Thüringen gut ausgestattet. Der Steuerzahlerbund hat angeregt, sie von polizeifremden Aufgaben zu entlasten. Wozu gibt es Dienstleister?

Mohring: Genau das fordern wir. Die Polizei muss keine Schwertransporte absichern, und Verwaltungsaufgaben können auch bei der Polizei von Verwaltungsbeamten erledigt werden. Tatsache ist aber auch: Das Durchschnittsalter im besonders personalintensiven Bereich Schule und Polizei ist hoch. Damit auch die Krankenstände und der absehbare Ersatzbedarf. Deshalb will auch die CDU-Fraktion hier Geld in die Hand nehmen. Wer morgen Lehrer haben will, muss heute Referendare ausbilden. Dafür fordern wir sechshundert Stellen und für die Polizei eine zusätzliche Ausbildungshundertschaft für die nächsten zwei Jahre.





Kehrl: Wichtig sind auch die Signale, die ins Land gehen. Nicht nur ich frage mich zum Beispiel, warum wir noch einen Gebietsreform-Staatssekretär im Innenministerium brauchen, nachdem die Gebietsreform vom Tisch ist. Das Amt folgt gewöhnlich der Aufgabe und schwebt nicht irgendwo losgelöst im Raum.

Wenn wir über Aufgabenerledigung reden, ist die Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform ganz sicher ein entscheidender Punkt. Rot-Rot-Grün scheint daran festzuhalten. Nach dem Motto: Wenn nicht in dieser, dann in der nächsten Wahlperiode…

Mohring: Zunächst einmal stehen Ramelow und die Seinen in den Trümmern dieser Reform. Es herrscht Chaos. Von der Gebietsreform einmal ganz abgesehen. Rot-Rot-Grün wollte mal eine zweistufige Verwaltung ohne Landesverwaltungsamt in Weimar. Ertrag auch hier gleich Null. Jetzt basteln zwei Ministerien an eigenen Superbehörden neben dem Weimarer Amt und es droht auf der Ebene der vier Planungsregionen eine vierte Verwaltungsebene.

Wie würden Sie es denn machen?

Mohring: Mit der von Herrn Kehrl angesprochenen Aufgabenkritik beginnen. Wir sagen ganz klar: Weniger ist mehr. Weniger Aufgaben, weniger detailverliebte Regeln. Im ewigen Be-mühen, die beste aller Gesellschaften zu bauen, produzieren linke Parteien vor allem mehr Bürokratie, aber nicht mehr Gerechtigkeit. Aus den verbleibenden Aufgaben lässt sich eine Funktionalreform und der dafür passende Verwaltungsaufbau ableiten.

Kehrl: Aufgaben müssen dort erledigt werden, wo das am wirtschaftlichsten und möglichst bürgernah geht. Wir haben uns schon gewundert, warum die Regierung die mit ihrer Reform verbundenen Einsparziele nicht dargelegt hat. Für jede Reformmaßnahme fordert der Steuerzahlerbund eine Wirtschaftlichkeitsberechnung. Eine Gebietsreform ist dann der mögliche dritte Schritt.

Mohring: Ob sie notwendig ist, könnte sich zeigen, wenn endlich einmal einer den Beweis antreten würde, dass die Gebietsreform Geld spart und zu leistungsfähigeren Strukturen führt. Den Beweis blieben alle schuldig.  Die Ramelow-Regierung hat künstlich Reformdruck erzeugt, in dem sie den Kommunen Geld entzogen hat.

Davon kann doch jetzt kaum noch die Rede sein. Die Linkskoalition hat ein zusätzliches 200 Millionen-Euro-Paket für die Kommunen geschnürt.

Mohring: Und damit wieder einmal viel über sich verraten. Wenn irgend-wo Geld da ist, wird es eben einfach ausgegeben. Das nennt sich bei Rot-Rot-Grün Haushaltspolitik. Aber das ist nicht nachhaltig. Wir brennen keine Strohfeuer ab, sondern setzen auf Verlässlichkeit. Unsere Forderung ist, die Finanzausgleichsmasse auf über zwei Milliarden Euro pro Jahr verlässlich anzuheben.

Kehrl: Dazu noch ein Wort, ohne den Kommunen das Paket zu neiden. Dass die Koalitionsfraktionen noch mehr Geld ausgeben wollen, als die Regierung vorgeschlagen hat, halte ich für schlicht skandalös. Damit bewegt sich Thüringen bei den geplanten Ausgaben allmählich auf die elf Milliarden Euro pro Jahr zu. Tatsächlich ist das Land 2015, im ersten Jahr der Regierung Ramelow, aber noch mit 9,25 Milliarden Euro ausgekommen. Da läuft etwas völlig aus dem Ruder.

Herr Mohring, die CDU-Fraktion hat sich für ihre 1200 Haushaltsanträge auch am tatsächlichen Mittelabfluss orientiert. Was war das Ergebnis?

Mohring: Wir haben uns den Haushaltsabschluss 2016 vorgenommen und auf den Vollzug des Jahres 2017 geschaut, was tatsächlich ausgegeben wurde. Dadurch konnten wir sehen, dass viel Luft im rot-rot-grünen Haushaltsentwurf für 2018 und 2019 ist. Wir können unsere Schwerpunkte Polizei, Schule und Kommunen finanzieren und würden trotzdem knapp eine halbe Milliarden Euro weniger ausgeben. Beim Nachschlag, den sich die Linkskoalitionäre jetzt genehmigen wollen, wird es noch mehr.

Das leuchtet alles ein. Doch Sparen ist am Ende nicht sexy. Was sagen Sie denn all denen, die Rot-Rot-Grün jetzt aus den vollen Kassen bedient, während Sie das Geld zusammenhalten wollen?

Mohring: Zunächst einmal zeigt der Blick auf die Haushaltsabschlüsse, wo gespart werden kann, ohne jemandem weh zu tun. Und in vielen Punkten gehen die geplanten Finanzierungen schlicht nicht auf, sollten sich die Rahmenbedingungen ändern. Wer glaubt denn, dass das Land auf Dauer wie jetzt im Geld schwimmt?

Kehrl: Über die Geschenke werden sich die Bürger spätestens dann nicht mehr freuen, wenn sie nicht mehr finanziert werden können. Bereits eine Zinssteigerung von einem oder anderthalb Prozentpunkten würde die Schwarze Null hinwegfegen, die wir uns jetzt schönreden. Es ist doch naiv, zu glauben, dass die Einnahmen dauerhaft auf dem jetzigen Niveau bleiben oder gar noch steigen. Wenn 2020 das verfassungsrechtliche Schuldenverbot greift, und die Einnahmen sinken, ist die Freude dahin.