Die Schwüle liegt schwer über den Straßen des Jenaer Damenviertels, drückt durch die geschlossenen Fenster der sanierten Bürgerhäuser. Wer kann, sucht Schutz unter den Bäumen des nahegelegenen Botanischen Gartens oder zwischen den Regalen des kleinen Bio-Supermarkts in der Zwätzengasse. Hier, wo die Studenten der nur einen Katzensprung entfernten Friedrich-Schiller-Universität in ihren WGs lernen, lachen und feiern, hier lebt Pauline. 22, verheiratet, Mutter. Und ein zart glimmender Stern am deutschen Bloggerhimmel.

Mit ihrem bis über beide Backen strahlenden Wilhelm auf dem Arm öffnet Pauline die Tür ihrer Altbauwohnung. Seine Versuche, vor den Augen der Besucher seine Hauptnahrungsquelle freizulegen, pariert Pauline mit Engelsgeduld. Das mit dem Interview muss jetzt auch mal so gehen, der Papa ist gerade auf der Arbeit in Erfurt. Richard, 30, macht einen Großteil der Fotos für den Bilder-Dienst Instagram, die jetzt auf einmal so viele sehen wollen. Ursprünglich sollten sie nur dazu dienen, Paulines fernab an der Ostsee lebende Verwandtschaft über Wilhelms Geburt auf dem Laufenden zu halten. Doch dieses eher übersichtliche Publikum hat sich längst erweitert. Wilhelm ist mittlerweile  14 Monate alt – und auf Instagram folgen Paulines Profil jetzt schon über 7.000 Nutzer.

Für mich ist Familie der Sinn des Lebens.

Pauline BloggerIn

Einzelne Bilder werden von mehr als 13.000 Leuten angesehen. Damit bleibt Pauline zwar noch weit hinter echten „Influencern“ – so nennt man in den Sozialen Medien Leute, die auf diversen Plattformen große Bekanntheit erlangen und mit ihren Bildern, Blog-Beiträgen oder Videos einen starken Einfluss auf die haben, die ihnen folgen. Doch seit sie vor einigen Monaten zusätzlich einen Blog schreibt, entwickelt sich eine enorme Dynamik.

Vielleicht liegt es daran, dass Pauline offensiv das abgibt, was nicht nur in hippen Bloggerkreisen als eher konservativ gilt: Ein klares Bekenntnis zu Ehe und Familie. Oft hört sie, dass sie sich sehr früh für den Rest ihres Lebens gebunden hat – „Willst du nicht noch warten, wer weiß, vielleicht kommt noch ein Besserer“. Doch Pauline wollte eigentlich schon immer früh heiraten: „Für mich ist es ein großer Unterschied, ob ich sage ‚mein Freund‘ oder ‚mein Mann‘.“ Als sie dann Richard kennenlernt, ist sie sich sicher. Warum? „Für mich ist Familie der Sinn des Lebens. Man sollte keine Angst davor haben, es gibt immer Höhen und Tiefen. Aber man lebt nur einmal, und Angst verbaut einem Vieles.“

Pauline ist überzeugt, dass beides geht: Familie und Erfolg im Beruf. „Warum werden Frauen gleich als Heimchen abgestempelt, nur weil sie gerne Mutter sind und auch mal mit Freude am Herd stehen?“, ärgert sie sich. Ihr Jura-Studium, das wegen Wilhelms Geburt noch bis zum Herbst pausieren wird, will sie auf jeden Fall abschließen – auch wenn sie nicht den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg gewählt hat. „Für mich wäre es schade, Wilhelm schon jetzt in den Kindergarten zu geben, denn diese Zeit kommt nie wieder. Entscheiden muss das aber jeder für sich selbst – jede Familie funktioniert anders.“

Wenn es dann so weit ist, will sie Wilhelm möglichst früh abholen, um so viel Zeit mit ihm zu verbringen, wie es das Studium zulässt. Gelernt, sagt sie, wird dann halt abends. „Das ist der Vorteil daran, jung Mama zu sein – man ist belastbarer. Kind, Studieren, Kuchen backen – ich bin mir sicher, dass das alles gleichzeitig geht.“ Die Bloggerei zum Beruf zu machen, kann sie sich auch vorstellen – „aber erst nach dem Uni-Abschluss“.

Zuletzt fragten mehrfach Jenaer Fotografen wegen möglicher Shootings an. Die Zusammenarbeit mit einem deutschen YouTube-Star brachte viel Aufmerksamkeit und einige Agenturen, die bereit sind, für die Vorstellung der von ihnen vermarkteten Kinderwagen, Babytragen, Möbel oder Pflegeprodukte nicht wenig Geld zu zahlen, haben auch schon angeklopft. Pauline will deshalb jetzt ein Gewerbe anmelden – bei der Auswahl ihrer Kooperationspartner aber vorsichtig bleiben. „Ich will nur die Sachen annehmen, für die ich auch einstehen kann. Wenn mir ein Produkt nicht gefällt, dann schreibe ich nicht darüber.” Wenn sie nach einem Thema sucht, klopft sie ihren Alltag ab. Die Titel ihrer Blog-Beiträge lauten dann „Flugreisen mit Kind“ oder „Was muss in die Kliniktasche?“. Die Schwüle drückt noch immer in das mittlerweile mit Spielzeug übersäte Wohnzimmer. Die zierliche 22-Jährige klappt ihr in die Jahre gekommenes Macbook zu und setzt sich mit Wilhelm auf die Couch, um zu stillen. Bis hierhin kaum mehr als ein leichtes Drängeln – kein Weinen, kein Schreien. Überträgt sich Paulines Entspanntheit auf ihr Kind? Sie zuckt mit den Achseln: „Richard und ich sind wahrscheinlich das genaue Gegenteil von Helikoptereltern, vielleicht spürt Wilhelm das. Ich will einfach nur zeigen, wie schön es ist, jung verheiratet und Mutter zu sein.” Auf die Anmerkung ihrer in Zingst lebenden Mutter, bei ihr wirke alles fast wie im Bilderbuch, hat Pauline auch keine Antwort. „Ich hab mir das ja selbst viel anstrengender vorgestellt. Wenn ich sagen würde: Mutter sein, das ist total anstrengend – das wäre eine Lüge.“

Von Felix Voigt

Paulines Blog im Internet: 

https://paulinchen.blog