Es gibt Sätze, die sind nicht direkt falsch, doch man hat das Gefühl, irgendetwas stimmt mit ihnen nicht. Dieser zum Beispiel: „Wir müssen den Menschen im Osten ihren Stolz auf ihre enormen Leistungen zurückgeben.“ Gesagt hat ihn Martin Dulig – gebürtiger Vogtländer, Jahrgang 1974, Sozialdemokrat und Minister in Sachsen – beim Forum Ostdeutschland der SPD. Klar, denkt man, der Mann ist Pädagoge, und es gehört zum kleinen Einmaleins eines jeden guten Schulmeisters, dass er mit Anerkennung meist weiter kommt als mit Tadel. Doch genau da liegt das Problem bei der Beschäftigung der Berliner Politik, der Medien und besorgter Hochschullehrer mit den vermeintlich bockigen Bürgern in den neuen Ländern, die den politischen Betrieb durcheinander bringen – und das Problem von Sätzen wie dem zitierten. Sie transportieren ein Autoritätsgefälle: wie das zwischen Lehrer und Schüler, Meister und Lehrling. Wer bitte ist denn „wir“, der Ihnen und mir, die wir zu „den Menschen im Osten“ gehören, etwas zu- oder absprechen, wegnehmen oder zurückgeben könnte?

Wir alle, jeder für sich, sind Bürger dieses Landes. Mit gleichem Recht bestimmen wir gemeinsam nach unseren demokratischen Spielregeln, wohin sich Deutschland entwickelt. Jeder bringt dabei seine Interessen und seine historisch unterschiedlich gefärbten Erfahrungen mit. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die einen nicht ständig zur Norm und die anderen zur Abweichung erklärt würden. Ich bin stolz darauf, dass sich viele Menschen gerade vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen im Osten genau das verbitten und pfeife darauf, ob mir diesen Stolz jemand zu- oder abspricht.