Helmut Liebermann, den Vorsitzenden des Thüringer Beamtenbundes

Bis zum Jahr 2035 wird die Hälfte der derzeitigen Landesbediensteten im Freistaat Thüringen in Rente oder den Ruhestand gehen. Der Nachwuchs muss aus schmaleren Jahrgängen gewonnen werden. Wird das gelingen?

Liebermann: Das Land steht als Arbeitgeber in Konkurrenz mit anderen Bundesländern, dem Bund und Kommunen und nicht zuletzt der Wirtschaft. Ohne attraktive Beschäftigungsbedingungen geht es nicht. Dazu gehören neben konkurrenzfähiger Bezahlung und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen vor allem Entwicklungsmöglichkeiten, also Karrierechancen. Da ist noch viel Luft nach oben.

Mohring: Klar, dem Wettbewerb um die besten Köpfe muss sich der Freistaat Thüringen stellen, damit der Staat handlungsfähig bleibt. Die Pensionierungswelle schafft aber auch Spielraum für eine Personalentwicklung, die dafür die notwendigen Anreize setzt. Dazu braucht das Land freilich ein kluges, die gesamte Verwaltung umfassendes Entwicklungskonzept.

Liebermann: Kurze KIarstellung zur sogenannten Pensionierungswelle. Die ist durch den Aufbau des Landes mit jungen Leuten nach 1990 gut erklärbar, aber zugleich ein Schritt in Richtung Normalität. Mittel- und langfristig werden sich Pensionierungen bzw. Verrentungen und Neueinstellungen die Waage halten.

Es ist ja aber nicht so, dass das Land kein Personalentwicklungskonzept hätte…

Liebermann: Das hat die Landesregierung bis 2025 gestreckt, was wir ausdrücklich für richtig halten. Mit Schnellschüssen gibt es keine vernünftige Personalentwicklung. Finanzschwächere Länder wie Thüringen haben einen echten Wettbewerbsnachteil.

Mohring: Gestreckt? Ich würde eher sagen: Rot-Rot-Grün hat sich um die Aufgabe gedrückt und das dornige Thema einfach in die nächste Wahlperiode verschoben. Dabei hätte ein ressortübergreifendes Personalentwicklungskonzept dringend angefasst werden müssen, mit einer vorausgehenden Aufgabenkritik.

Also einer Überprüfung, welche Aufgaben das Land wie erledigen soll. Das ist zugleich der Ausgangspunkt der Verwaltungsreform, die Rot-Rot-Grün versprochen hat.

Mohring: Aber nicht geliefert hat. Bevor man über das Personal redet, muss darüber gesprochen werden, ob wirklich alles so haarklein geregelt werden soll, wie es zum Teil geregelt wird. Bei den Essensgeldregeln für die Kitas sieht man gerade, wie sehr das daneben gehen kann.

Liebermann: Damit kein falscher Eindruck stehen bleibt. Es ist auch für den Beamtenbund unstrittig, dass wir zukünftig mit weniger Beschäftigten auskommen müssen. Doch dazu muss eben geklärt werden, an welchen Aufgaben und an welchen Stellen sie arbeiten werden und welche Aufgaben nicht mehr erledigt werden sollen. Das aktuelle Stellenabbauziel für 2025 bedarf aus unserer Sicht einer Korrektur.

Da behauptet die Ramelow-Regierung selbst, nicht sonderlich weit gekommen zu sein. Die Verwaltungsreform soll jetzt aber immerhin als abgespeckte Behördenreform kommen.

Liebermann: Das sehen wir sehr kritisch. Das Wechseln von Türschildern ist keine Verwaltungsreform. Und die Logik, dass jedes Ministerium seine nachgeordnete Verwaltungseinheit haben soll, halte ich für falsch. Es ist völlig richtig, die reinen Vollzugsaufgaben wie bisher im Landesverwaltungsamt in Weimar zu bündeln. Das sorgt für einen gleichmäßigen Verwaltungsvollzug.


Mohring: Volle Zustimmung. Wir wollen das Landesverwaltungsamt sogar noch stärken. Die Ministerien haben die politische Führungsaufgabe; von den Verwaltungsaufgaben sollen sie entlastet werden. Neue, an die Ministerien gebundene Großbehörden aufzubauen, ist Unsinn. Die große Bündelungsbehörde Landesverwaltungsamt markiert einen dreistufigen Verwaltungsaufbau. Was wir zudem brauchen: mehr Verwendungsbreite und damit einhergehende Aufstiegsmöglichkeiten für die Bediensteten.

Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen gegenwärtig allerdings eher die Lehrer, besser gesagt jene, die das Land bräuchte, aber nicht hat. Ist die Verbeamtung der entscheidende Hebel?

Liebermann: Es ist richtig, dass Lehrer jetzt wieder Beamte werden können. Dann darf man aber nicht gleichzeitig die Leistungsanreize kappen oder nur halbherzig setzen, wie die Landesregierung es gerade im Besoldungsgesetz vorsieht. Die Möglichkeiten, etwa über die Aufgaben eines Fachleiters aufzusteigen, werden praktisch beseitigt. Und dass Thüringen bei der Bezahlung der besonders gesuchten Regelschullehrer im Ländervergleich am unteren Ende der Besoldung rangiert, ist auch keine Werbung für den Beruf. Die vorgesehene Abschaffung der Beförderungsmöglichkeit für den gymnasialen Bereich ist geradezu eine Aufforderung an künftige Lehrer, Thüringen zu meiden.

Mohring: Das, was Rot-Rot-Grün vorgelegt hat, heißt für viele Lehrer im Klartext: Die allermeisten werden beim Eintritt in den Ruhestand noch die gleiche Besoldungsgruppe haben, wie beim Berufsstart. Deshalb fordern wir ausreichend Funktionsstellen mit den entsprechenden Aufstiegsmöglichkeiten. Nicht hinnehmbar ist übrigens, dass dabei die sogenannten Ein-Fach-Lehrer von jeder Entwicklungsmöglichkeit abgeschnitten sind. Die CDU-Fraktion hat gefordert, sie Zwei-Fach-Lehrern gleichzustellen, wenn sie mehrere Fächer unterrichten.

Liebermann: Es geht nicht um Ein-Fach-Lehrer, sondern um Lehrer mit einer Ausbildung der ehemaligen DDR als Polytechniker. Die sind nunmal keine Ein-, sondern mindestens Zwei-Fach-Lehrer. Die Kollegen haben in der DDR meist Polytechnik unterrichtet. Doch das Fach gibt es nicht mehr. Stattdessen unterrichten sie in der Praxis fast alle zwei oder mehr Fächer.

Beförderungen sind auch bei der Polizei ein großes Thema. Was ist aus dem Beschluss der Regierung Lieberknecht geworden, jedes Jahr zehn Prozent der Polizisten zu befördern?

Liebermann: Die Landesregierung hat Beförderungsquoten generell aufgehoben. Die Ministerien dürften in ihrem Zuständigkeitsbereich im Rahmen eines festen Budgets befördern. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Entscheidend ist allerdings, dass ausreichend Stellen und Mittel vorhanden sind.

Mohring: Weil das nie sicher ist, wollen wir mehr Verbindlichkeit und die Zehn-Prozent-Regel für die Polizei wieder festschreiben, wenn wir dazu 2019 politisch die Möglichkeit bekommen. Lange lag diese Quote bei fünf Prozent. Rein rechnerisch hieß dies: Beförderung im Durchschnitt nach 20 Jahren. Das geht nicht.

Der Generationswechsel wird auch in der Justiz zu Personalengpässen führen. Da beunruhigt der Rückgang bei der Zahl der Rechtsreferendare doch sehr. Liegt´s tatsächlich daran, dass Rot-Rot-Grün sie nicht mehr als Beamte auf Widerruf beschäftigt?
 
Mohring: Den Status abzuschaffen, war ein großer Fehler. Nach Thüringen sind auch deshalb viele gegangen, weil nur noch die Referendare ringsum bereits als Angestellte beschäftigt wurden und wir attraktiver waren. Die bleiben jetzt weg. Die Landesregierung sollte diesen Fehler korrigieren, wie es andere Länder übrigens bereits tun.
 
Liebermann: Zustimmung. Wer Referendare aus anderen Ländern gewinnt, verbessert auch die Aussichten, dass sie bleiben. Wenn für bestimmte Bereiche zu wenige Bewerber da sind, muss man darüber nachdenken, sie auch durch Sonderzuschläge zur Referendar-Besoldung zu gewinnen.

Das alles wird bei den Finanzministern wenig Begeisterung wecken. Bei jeder Einstellung denken die Haushälter schon an die Pensionslasten…

Liebermann: Stopp! Dieses Wort muss aus dem Sprachgebrauch verschwinden. Es sind Pensionsverpflichtungen, die das Land gegenüber jedem Beamten eingeht, den es einstellt. Die andere Seite der Rechnung: So lange der Beamte dem Land dient, ist er deutlich billiger als ein Angestellter und auf die Lebenszeit gerechnet ist der finanzielle Aufwand des Freistaats für einen Beamten und einen Angestellten in etwa gleich. Dabei fällt allerdings unter den Tisch, dass der Bund über den Zuschuss zur Rentenversicherung den Angestellten mit finanziert.

Akzeptiert. Also: Die Pensionsverpflichtungen der nächsten Jahrzehnte will die Thüringer Finanzministerin abfedern, indem jährlich für jeden neu eingestellten Beamten 5000 Euro getilgt werden sollen. Gute Idee?

Liebermann: Zumindest ein guter Ansatz. Meine Sorge ist nur, dass sich in 15 oder 20 Jahren keiner mehr erinnert, dass diese Schulden heute getilgt werden, um morgen finanziellen Spielraum für Pensionen zu haben. Deshalb fordert der Thüringer Beamtenbund, diese Tilgungen auf Euro und Cent in den regelmäßigen Pensionsberichten als fiktive Pensionsrücklagen auszuweisen. Damit es gar nicht erst vergessen und den bekannten unsachlichen Vorurteilen entgegengewirkt wird.

Mohring: Ob die Steuergroschen über den Bund und die Rentenversicherung an ExAngestellte in Rente oder aus der Landeskasse an die Pensionäre gehen, macht für den Steuerzahler keinen Unterschied. Für den Landeshaushalt allerdings schon. Der Ansatz der Finanzministerin ist richtig, aber er reicht nicht aus. Besser wäre, für die Pensionsverpflichtungen auch Rücklagen 
zu bilden. Ich bin froh, dass es uns wenigstens gelungen ist, den Pensionsfonds zu erhalten, den die Beamten durch Gehaltsverzicht angespart haben. Wir haben in den letzten Haushaltsverhandlungen gefordert, ihn weiter aufzufüllen. Und zwar durch Zinsen, die Thüringen durch die Schuldentilgung einspart. Das hat Rot-Rot-Grün leider abgelehnt.

Liebermann: …und solange dieser Fonds noch existiert, ist auch der bisher existierende Verwaltungsrat notwendig. Wir kritisieren, dass nunmehr darauf verzichtet werden soll.