Mohring trifft: Prof. Dr. Peter Scharff

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Ein Gespräch über einen überflüssigen und untauglichen Versuch der Regierung Ramelow, das Thüringer Hochschulrecht zu reformieren.

Ein Gespräch über einen überflüssigen und untauglichen Versuch der Regierung Ramelow, das Thüringer Hochschulrecht zu reformieren, im Senats-Saal der Technischen Universität Ilmenau.

Der Landtag berät gegenwärtig über die Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes. Die Regierungskoalition hat sehr weitgehende Änderungen vorgeschlagen, die CDU schlägt lediglich behutsame Anpassungen am Hochschulgesetz vor. Wie groß ist der Änderungsbedarf denn nun?

Scharff: Es gibt in der Tat Anpassungsbedarf durch die Rechtsprechung und bei ein paar Kleinigkeiten. Der Gesetzentwurf der Landesregierung geht darüber aber weit hinaus und legt zahlreiche Neuregelungen vor. Das ist aus Sicht der Landesrektorenkonferenz nicht geboten und gefährdet sogar die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen. Eine begrenzte Änderung hätte genügt.

Mohring: Aus unserer Sicht hat sich das Hochschulgesetz alles in allem bewährt. Deshalb haben wir auch einen Änderungsvorschlag vorgelegt, der sich auf das Notwendige beschränkt. Man sollte nicht vergessen: Das Land hat seit 2007 ein Hochschulgesetz, mit dem die Universitäten und Fachhochschulen mehr Unabhängigkeit und Selbstverantwortung und die dafür taugliche Organisationsstruktur erhalten haben. 2014 hat es Änderungen gegeben, um guten Köpfen bessere Perspektiven an den Hochschulen zu geben. Da gerät jetzt unter der wohlklingenden Formel Demokratisierung viel aus dem Tritt.

Was soll daran denn so problematisch sein? Die Landesverfassung hält ausdrücklich fest: Alle Mitglieder der Hochschulen sollen an der Selbstverwaltung beteiligt sein. Und die Universität als Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden ist eine alte Idee.

Mohring: Forschung und Lehre werden vor allem von den Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern getragen. Es geht darum, dass sie möglichst wirksam geleistet werden können. Dann muss man den Professoren auch zukünftig den entsprechenden Einfluss geben. Und das geht nun einmal nur durch klare Mehrheiten in den jeweils zuständigen Gremien. Das verkennt der rot-rot-grüne Gesetzentwurf völlig.

Scharff: Selbstverständlich ist Demokratie wichtig und muss mit den Studierenden an der Universität eingeübt werden. Doch der Daseinszweck der Universität ist nicht, demokratisch verwaltet zu sein, sondern Forschung und Lehre. Es gibt Fragen, die kann man nicht demokratisch entscheiden. Wenn sich Wissenschaftler und Fachleute einen wohlüberlegten Standpunkt gebildet haben, sollte der nicht einem Prozess unterworfen werden, in dem am Ende Mehrheiten aus Studierenden und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern Mehrheitsentscheidungen treffen.

Die Ramelow-Regierung bringt mit ihrem Hochschulgesetz die bewährte Thüringer Hochschulorganisation völlig durcheinander. Wir konzentrieren uns stattdessen auf exzellente Forschung und gute Lehre. Denn darauf kommt es an.

Prof. Dr. Mario Voigt wirtschafts- und wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

Die Kritik der Landesrektorenkonferenz am Gesetzentwurf der Landesregierung setzt im Grunde an allen für die Hochschulen zentralen Punkten an: ihrer Unabhängigkeit, der Freiheit von Forschung und Lehre und der Wettbewerbsfähigkeit. Lassen Sie uns mit dem letzten Punkt beginnen.

Scharff: Hochschulen müssen sich im Wettbewerb behaupten. Nicht allein in Thüringen oder Deutschland oder Europa, nein: weltweit. Und dafür brauchen Sie wirksame schnelle Entscheidungsstrukturen. Die Vorschläge der Landesregierung blenden das aus. Wenn zum Beispiel das Präsidium etwas verantworten soll, was der Senat – also praktisch das Hochschulparlament – entscheidet, geht das nicht auf. Der Abstimmungsbedarf nimmt zu, die Prozessgeschwindigkeit nimmt ab.

Nennen Sie mal ein Beispiel.

Scharff: Etwa die Besetzung einer Professur. Spitzenleute haben immer mehr als ein Angebot. Häufig entscheidet das Tempo des Berufungsverfahrens darüber, ob der Wunschkandidat gewonnen werden kann. Eine größere Anzahl von Gremiendurchgängen aufgrund von Formalia ist da nicht eben hilfreich.

Mohring: Leider schlägt Rot-Rot-Grün Expertenrat regelmäßig in den Wind, wenn er nicht ins ideologische Schema passt. 2016 hat eine Expertenkommission die Exzellenzinitiative des Bundes ausgewertet und eine klare Empfehlung ausgesprochen: Wer im Wettbewerb mithalten will, braucht eine unabhängige und starke Führungsstruktur. Die Ramelow-Regierung macht das Gegenteil: mehr Regeln, mehr Rechenschaftspflichten, mehr Bürokratie.

Noch einmal zurück zu Forschung und Lehre. Wenn es um diese Themen geht, sollen die Professoren im Senat eine Mehrheit haben. Praktisch soll das so aussehen, dass Professoren bei solchen Entscheidungen hinzugezogen werden. Das ist doch ein Weg?

Scharff: Dem Verfassungsgebot der Professorenmehrheit bei akademischen Fragestellungen wird damit sicherlich Rechnung getragen. Die Frage ist eher, ob das praktikabel ist. Im Prinzip gibt es im Senat dann zwei Gruppen von Professoren: Eine Gruppe im Sinne der Viertelparität und eine Gruppe im Sinne der Herstellung der Professorenmehrheit. Da ohnehin die meisten Themen mit Forschung und Lehre zusammenhängen, wären Letztere fast immer dabei. Dann stellt sich schon die Frage: Wozu das ganze Theater? Hinzu kommt, dass in anderen Gremien generell die gleiche Vertreterzahl für alle Gruppen gilt. Nehmen sie nur die Studiengangkommissionen. Da entscheiden dann zur Hälfte Nichtwissenschaftler und Studierende über die Inhalte von Studiengängen. In der Theorie soll der Senat dann mit Professorenmehrheit Fehler korrigieren. Das ist nicht wirklich durchdacht.

Mohring: Es ist in der Tat schwer zu sagen, was an Hochschulen nicht mit Forschung und Lehre zu tun hat. Richtig kompliziert wird es, wenn Meinungsverschiedenheiten darüber entstehen und es ins Schlichtungsverfahren geht. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich das vorzustellen. Ein Ergebnis ist auch, dass die Zahl der Professoren unter den ordentlichen Senatsmitgliedern mit der paritätischen Neubesetzung schrumpft. Es wird schwierig bis unmöglich, alle Fakultäten einzubeziehen. Das tut dem Binnenklima der Hochschulen nicht gut und ist riskant, weil zu leicht etwas übersehen wird.

Thema Unabhängigkeit. Mit dem Hochschulgesetz 2007 ist sie deutlich gestärkt worden. Neu eingeführt wurde der Hochschulrat als eine Art Aufsichtsrat, ein Beratungs- und Kontrollgremium. In die Räte will das Land Mitarbeiter des Wissenschaftsministeriums entsenden. Warum will die Landesrektorenkonferenz das nicht?

Scharff: Die Einführung der Hochschulräte war tatsächlich ein Richtungswechsel. Der Staat, also konkret das Land Thüringen, nahm sich aus der Detailsteuerung der Hochschulen zurück und stärkte im Gegenzug über die Hochschulräte die gesellschaftliche Rückbindung der Universitäten und Fachhochschulen. Das hat sich bewährt. Wenn dem Hochschulrat jetzt Entscheidungskompetenzen genommen werden und auch noch ein Vertreter des Ministeriums in diesen entsandt wird, dann läuft das der Idee des Hochschulrats zuwider. Der vertrauensvolle Umgang zwischen Hochschulrat und Hochschulleitung wird erschwert.

Mohring: Was Rot-Rot-Grün da vorhat, schadet ganz klar der Unabhängigkeit des Hochschulrats als Teil der universitären Selbstverwaltung. Es überrascht mich nicht, dass ausgerechnet die Linkskoalition hier den Rückwärtsgang einlegt und die staatlichen Zügel straffer anzieht. Mit eigenständigen Strukturen stehen Sozialisten immer auf Kriegsfuß, wenn sie staatlichen Einfluss haben. Von innen heraus werden sie unter dem Vorwand der Demokratisierung geschwächt.

Das klingt dann doch alles nach einem Totalverriss des Gesetzentwurfes. Sollte die Regierung ihren Entwurf einsammeln und noch einmal zurück über Los?

Mohring: Tatsache ist: Dieses Gesetz ist in der Anhörung im Landtag mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Nicht alleine bei der Landesrektorenkonferenz. Wenn das parlamentarische Verfahren überhaupt einen Sinn haben soll, dann sollte die Landesregierung ihren Entwurf tatsächlich zurückziehen und einen neuen Gesetzentwurf vorlegen, der ohne den ganzen ideologischen Ballast auskommt. Und ich mache für die CDU-Fraktion ein ganz konkretes Angebot. Wir sind bereit, mit Rot-Rot-Grün über einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu reden. Forschung und Lehre bleiben wichtige Themen, egal wer regiert.

Scharff: Das würde ich sofort mittragen. An Gesetzen, die Schulen, Bildung und Hochschulen betreffen, sollte man nicht allzu oft herum schrauben. Was sich bewährt hat, sollte man beibehalten. Am Ende geht es doch um die Wettbewerbsfähigkeit und das Wohlergehen unseres Landes. Wir müssen die Strukturen stärken, die uns Innovationskraft bringen. Wenn wir die nicht mehr haben, haben wir gar nichts mehr. Vor allem deshalb brauchen wir Hochschulen, die unabhängig sind.