Mohring trifft: Jörg Göring, Präsident des Waldbesitzerverbands für Thüringen e.V.

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Wir befinden uns inmitten einer Tragödie

Herr Göring, Herr Mohring, die Wälder im Freistaat leiden und mit ihnen die Waldbesitzer und Forstbetriebe. Wie ernst ist die Situation aktuell? 

Göring: Wir befinden uns inmitten einer Tragödie. Europaweit sind Millionen Hektar Wald schwer geschädigt. Um zu retten, was noch zu retten ist, muss aktuell weit mehr Holz aus dem Forst geholt werden, als der Markt aufnehmen kann. Aber niemand nimmt ihnen im Augenblick noch Holz ab. Die Kosten bleiben dennoch – und seien es nur die jährlichen Beiträge für die Berufsgenossenschaft. 

Mohring: Wir dürfen ja auch nicht vergessen: Es geht im Augenblick nicht nur um diejenigen Waldbesitzer, deren Bäume unmittelbar – etwa durch Borkenkäfer oder Trockenheit – geschädigt sind, sondern um alle Waldbesitzer. Denn momentan kann niemand mehr Holz verkaufen. Der Markt ist zusammengebrochen.

Göring: Und die Tragödie ist ja noch lange nicht vorbei. Sie wird – ich schätze mal – noch wenigstens für die nächsten fünf Jahre andauern. Wir wissen, dass die Waldbesitzer kein Geld haben, um die Unternehmen bezahlen zu können, die jetzt dringend tätig werden müssen. Es müssen die vom Borkenkäfer befallenen Fichten aus dem Wald geholt werden. 

Auch müssten diejenigen Bäume dringend eingeschlagen werden, die wegen der Trockenheit erkennbar absterben werden. Manche Waldbesitzer werden aufgeben, weil sie sagen, wir schaffen das nicht. Wir schaffen es nicht von der Manpower. Wir schaffen es finanziell nicht.

Also müssen Fördergelder her? Die Landesregierung scheint ja nicht ganz abgeneigt … 

Göring:  Fördermittel sind ungeeignet, um gegen eine Katastrophe anzukämpfen. Total ungeeignet. Fördermittel sind für eine normale Bewirtschaftung gut, aber nicht für eine Katastrophe. In einer Katastrophe muss ein eigener Fonds da sein oder schnell geschaffen werden, aus dem unkompliziert Geld in die betroffenen Flächen fließt.

Mohring: Wir haben ja schon im November 2018 im Landtag einen Antrag „Konsequenzen aus der aktuell dramatischen Lage im Forst ziehen“ eingebracht. Unsere Forderung war, unverzüglich eine Notfallhilfe und ein Investitionsprogramm zur kurzfristigen Flächenberäumung, Bodenvorbereitung, Beschaffung von Pflanz- und Saatgut, Pflanzung und Kulturpflege für alle Waldbesitzarten aufzulegen. Dazu sollte die finanzielle und personelle Ausstattung der Landesforstanstalt der Krise angemessen angepasst werden.

Und mit welchem Ergebnis?

Mohring: Wir sind von Rot-Rot-Grün monatelang ignoriert worden. Im Juni hat der Landtag dann unseren Forderungen für die Waldrettung zugestimmt. Nur passiert ist bislang zu wenig. Zwar produziert Rot-Rot-Grün fast täglich Vorschläge, mit wie vielen Millionen Euro der Forstwirtschaft wie geholfen werden könnte. Aber wenn Förderprogramme mit Ausschreibungen vorgeschlagen werden, läuft das auf neue bürokratische Hürden hinaus. Der Forst braucht das Geld schnell und vor Ort, etwa über einen Nothilfe-Fonds.

Alle reden jetzt vom Waldumbau … 

Mohring: Gesagt ist das schnell. Aber es ist ein äußerst langwieriger Prozess. Das sehen die wenigsten. Alle sehen zwar die aktuellen Schäden. Aber genau die zwingen uns dazu, jetzt zu handeln. Wir müssen jetzt die Wälder für die kommenden Jahrzehnte planen. Allein das Aufforsten wird vermutlich Jahre dauern.

Göring: Waldumbau ist eine Generationenaufgabe. Was wir heute ernten, haben unsere Urgroßväter gepflanzt. Und für das, was wir heute tun, werden uns unsere Nachfahren in 100 Jahren einmal beurteilen.

Ist Nichtstun eine Option? Was würde es bedeuten, wenn nicht aufgeforstet wird?

Göring: Wenn wir die Flächen sich selbst überlassen, haben wir irgendeinen Wald, der aber wirtschaftlich nicht nutzbar ist. Doch gerade unter dem Blickwinkel der Klima-Debatte sind Wirtschaftswälder besonders wichtig, weil sie besonders viel CO² nachhaltig binden. Nur ein Wirtschaftswald schafft Arbeitsplätze in der Forstwirtschaft und holzverarbeitenden Industrie. Und das noch dazu im ländlichen Raum.

Mohring: Ein Nutzungsverzicht in wertvollen Wirtschaftswäldern ist absolut keine Option. Die Einschränkung der nachhaltigen Forstwirtschaft vernichtet Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Thüringen. Deshalb planen wir keine weiteren Waldstilllegungen. Wir werden prüfen, ob wertvolle Wirtschaftswälder, wie beispielsweise am Possen, stillgelegt bleiben müssen oder wieder in Wert gesetzt werden können.

Wie kann denn der Forst- und Holzwirtschaft jetzt effektiv geholfen werden?

Göring: Es müsste jetzt ein Fonds aufgelegt werden, in dem Geld aus Steuer- und Haushaltsmitteln eingelegt wird. Und dieses Geld müsste auf die betroffenen Flächen projiziert werden.

Von wieviel Geld reden wir da?

Göring: Das ist gegenwärtig schwer abzuschätzen. Aber bundesweit reden wir von einem Milliardenbetrag. Wir haben ja nur die Einnahmen aus dem Holzverkauf. Die sind komplett weggebrochen. Und wenn wir in die Aufforstung gehen, liegen wir pro Hektar bei Kosten von 10000 bis 15000 Euro.

Haben wir überhaupt so viele Setzlinge, wie benötigt werden? Jetzt war die Rede von 200 Millionen Bäumen in den kommenden zehn Jahren allein in Thüringen.

Göring: Im Augenblick gibt es keine ausreichenden Pflanzmaterialien für Neuanpflanzungen. Wir haben nur eine Landesbaumschule, die arbeitet schon am Anschlag. Und die anderen Baumschulen, die es sonst noch gibt, waren ja auch nicht auf eine solche Katastrophe vorbereitet. Ich schätze, wir benötigen erst einmal drei bis fünf Jahre, bis wir überhaupt ausreichend Setzlinge nachgezogen haben.

Mohring: Deswegen brauchen wir in dem Fonds auch Geld für Setzlinge und Aussaat. Unser Waldantrag aus dem November forderte auch Geld für Neuanpflanzungen. Das betraf sowohl den Kauf der Setzlinge, wie auch deren Pflanzungen. Da ist viel kostbare Zeit verlorengegangen.

Göring: Wir reden ja über den Klimawandel und Klimafonds schon seit mehreren Jahren. Aber es weiß ja kaum einer, dass die großen Konzerne, die umweltschädlich produzieren, Geld an die Bundesregierung zahlen, für die Schäden, die sie verursachen. Und da ist es nun endlich an der Zeit, dass den Waldbesitzern – seien sie kommunal, privat oder im Landesforst unterwegs – etwas zurückgegeben wird. Denn der Wald mag einzelnen Eigentümern gehören, aber er dient bekanntlich uns allen. Er ist der wichtigste Klimaspeicher, den wir haben. Er ist Naherholungsgebiet und er ist Lebensraum für eine Vielzahl unterschiedlichster Tier- und Pflanzenarten.

Eine andere Forderung, die ja nach dem Sturm im vergangenen Jahr aufkam, betraf die Frage, Nass- und Trockenlager einzurichten, um gefällte Bäume feucht zu halten und damit gewissermaßen so lange zur konservieren, bis die Marktpreise für Bauholz wieder aus dem Keller geklettert sind. Auch das hatten CDU-Forstpolitiker im vergangenen November als eine Maßnahme gefordert, als sich die Trockenschäden in den Wäldern deutlich abzeichneten.

Göring: Nach dem Orkan Kyrill 2007 hatten wir ja noch Nasslager gehabt. Aber im vergangenen Jahr ist hier ein Antragsverfahren losgetreten worden. Das spottet jeder Beschreibung. Wir streiten uns mit Umweltämtern und anderen Verwaltungen rum. Es ist in Thüringen so gut wie nicht möglich, Nasslager einzurichten.

Warum genau?

Göring: Die Umweltämter fordern beispielsweise, dass das Wasser, was wir zur Berieselung der Stämme nehmen, nicht wieder ins Grundwasser zurück darf. Das soll aufgefangen werden, ich verstehe allerdings nicht, warum. Im Schwarzwald, wo 2010 solche Lager eingerichtet wurden, ging es doch auch. Die lagen meist neben Flusstälern. Das Wasser wurde aus dem Fluss entnommen und lief anschließend wieder dorthin zurück. Warum auch nicht. Es ist ja kein Gift. Sondern nur Bäume und Wasser.

Zusammengefasst. Ist die Forstpolitik der Landesregierung in sich geschlossen? 

Mohring: Für mich ist klar: Wenn ich ein gesellschaftliches Interesse habe, den Wald zu erhalten und ihn für die nächsten Generationen fit zu machen, muss ich Geld in dieses System hineinpumpen. Aus der normalen marktwirtschaftlichen Situation heraus ist kein Forstbetrieb mehr in der Lage, das zu stemmen. Also hätte schon lange etwas passieren müssen. Ist es aber nicht. Und insofern sehe ich da im Augenblick weder Hand noch Fuß in der Landesforstpolitik.

Göring: Die Landesregierung ist unter anderem auch durch meine Person seit vorigem Jahr mehrfach und auch vor Ort im Wald darauf hingewiesen worden, dass wir in eine Katastrophe laufen. Dass wir Geld brauchen. Ich habe 2018 gesagt, wir brauchen 80 Millionen. Da ging es dann um acht Millionen Fördermittel. Die nützen nichts. Nicht in dieser Situation.