Was lief gut, wo hat’s geklemmt? Wie haben Sie die Krise gemeistert? Sechs Thüringerinnen und Thüringer berichten, wie sie durch das Corona-Jahr gekommen sind.

Anna-Lena Födisch, Schülerin, Bad Klosterlausnitz

2020 war ein chaotisches Jahr. Aber wie jedes Jahr hatte es Höhen und Tiefen. Ich bin dankbar, dass meine Familie und meine Freunde weitestgehend gesund sind und ich denke, das gibt neue Kraft , um die Pandemie gemeinsam durchzustehen. Auch der Moment, als ich einige meiner Freunde nach der ersten Welle wiedersehen durfte, wird definitiv in meinem Gedächtnis als schöne Erinnerung festgehalten. Man hat so auch die gemeinsame Zeit viel mehr schätzen gelernt. Eine nicht so schöne Erinnerung wird mein 18. Geburtstag sein, den ich bis heute nicht nachfeiern konnte. Auch eine geplante CD-Produktion mit unserem Chor blieb bislang off en. Das ist schade.

Corona wird meinen Schulabschluss beeinflussen. Denn der eigentlich betroffene Jahrgang sind wir, die 2021 einen Schulabschluss anstreben – egal welchen. Bekannte, die auf den NC angewiesen sind, haben Angst, dass Corona ihre berufliche Karriere und Zukunft einschränken wird. Sie ärgern sich darüber, dass das Bildungsministerium momentan keinen Blick auf diese Probleme hat.

Margit Benkenstein, Geschäftsführerin des Pflegecentrums Sonnenschein in Gerstungen und Vorstandsvorsitzende der Landesgruppe Thüringen des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste e.V.

Seit März diktiert die Corona-Pandemie den Tagesrhythmus unserer Einrichtung. Auch wenn wir das große Glück haben, als eines von wenigen Pflegeheimen bis heute keinen Corona-Fall gehabt zu haben: Die Angst vor einer Infektion ist unser ständiger Begleiter, bei unseren Mitarbeitern genauso wie bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Alles begann mit dem dramatischen Mangel von Hygieneartikeln zu Pandemiebeginn, als wir privat Alltagsmasken für unsere Mitarbeiter nähen ließen, und entspannte sich dann erst ein wenig durch eine zentrale Beschaffungsaktion unseres Verbandes, der uns mit Mundschutz, Desinfektionsmitteln und Kitteln versorgte, an die wir als Einzelunternehmen nicht rankamen. Am Anfang war das besonders schwierig, weil unsere demenzkranken Bewohner sehr verängstigt auf die Masken reagiert haben, sie konnten das einfach nicht einordnen. Für die Mitarbeiter ist es auch körperlich noch anstrengender als sonst, denn sie müssen den ganzen Tag Maske tragen. Auch die Besucherregelung mit einem Besucher pro Tag und Bewohner macht es uns nicht leichter. Bei unseren 62 Bewohnern können das theoretisch an die 2000 Besucher pro Monat sein - das ist nicht nur mit Blick auf die Ansteckungsgefahr ein Problem, sondern auch logistisch. Es muss immer ein Mitarbeiter am Eingang sein, um auf die Handdesinfektion der Besucher zu achten, sie zu registrieren und sie auf direktem Weg zu ihren Angehörigen zu bringen. Eigentlich ist dieser zusätzliche Personalaufwand nicht zu stemmen. Wir wollen die Bewohner nicht isolieren, aber es wäre schön, wenn die Landesregierung uns als Betreiber mehr einbeziehen würde, wie wir das gestalten wollen und können. Mit unseren 20 Tests pro Bewohner im Monat haben wir zum Glück genug Puff er, um auch Besuchern einen Test anzubieten. Das hilft ihnen, ihre Angehörigen zu schützen.

Philipp Schiele, Netzwerkingenieur aus Ilmenau

Normalerweise bin ich alle 14 Tage auf Dienstreise, doch seit Februar arbeite ich im Homeoff ice. Als ehrenamtlicher Inklusionsbeauftragter der Stadt Ilmenau ist meine Arbeit nicht weniger geworden, sie hat sich nur verlagert. Viele meiner Klienten haben Ängste, dass Einrichtungen für Behinderte wieder schließen müssen, ihnen fehlt im Lockdown oft generell der zwischenmenschliche Kontakt, vielleicht sogar noch mehr als Menschen ohne Behinderung. Gleichzeitig habe ich manchmal das Gefühl, dass die Politik sich ein wenig zu sehr auf die einmal als richtig erkannte Linie eingeschossen hat, um sich noch ernsthaft damit auseinanderzusetzen, warum einige an diesem Kurs zweifeln. Im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts wäre es gut, diesen Menschen mehr zuzuhören, und sie nicht gleich als rechte Spinner abzutun. Man muss ihre Meinungen nicht teilen, aber man sollte sie ernst nehmen, sonst erhöht sich die Gefahr, dass sie der Demokratie in Gänze abschwören.

Mit Blick auf die Landespolitik war für mich in diesem Jahr die Neufassung des Thüringer Gesetzes zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen von besonderer Bedeutung. In der Stellungnahme, die ich dazu im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Beauftragten für Menschen mit Behinderungen erarbeiten konnte, haben wir uns unter anderem für die bessere Ausstattung der Stelle des Landesbehindertenbeauftragten stark gemacht.

Ute Morgenthal, Geschäftsführerin HVE Touristik Eichsfeld e.V.

Messen sind ausgefallen, Buchungen wurden storniert. Im Tourismusgeschäft ist über Monate hinweg fast alles weggefallen. Das hat uns natürlich traurig gemacht. Das gleiche Gefühl stellt sich ein, wenn wir an unsere Partner, die Gastgeber, denken. Aber der Tourismus hat sich im Eichsfeld der Herausforderung gestellt. Wir haben etwa in der HVE viel auf digital umgestellt. Wir wurden 2020 zudem als Destinationsmanagementorganisation anerkannt. Das bedeutet, dass unser Marketing jährlich mit 50.000 Euro gefördert wird. Das lässt uns drei Ligen höher mitspielen, wenn es wieder losgeht irgendwann in 2021. Und es ist toll zu sehen, dass auch unsere Gastgeber nicht untätig waren. Überall wurden Häuser renoviert oder saniert. Ein Gastgeber hat sich eine Eismanufaktur als zweites Standbein aufgebaut. Wir blicken also optimistisch auf 2021. Wir haben die Chancen genutzt und die eigene Region neu entdeckt. Aber wir müssen Covid weiter ernst nehmen. Auch in meinem persönlichen Umfeld sind Krankheitsfälle aufgetreten.

Aaron Richardt, Vorstandsvorsitzender des Arbeitskreises Thüringer Familienorganisationen AKF aus Erfurt

Zum Glück habe ich meine Familie. Wie wichtig Familie ist, konnten wir in diesem Jahr spüren. Besonders bewusst wurde mir dies, als ich im März und April in diesem Jahr mit meiner Ehefrau und unseren Kindern täglich einen etwa einstündigen Spaziergang unternahm. Die Zeit für einen täglichen Spaziergang haben wir uns bis dato nicht genommen. Auch wenn die Schließung von Schule und Kindergarten meiner Familie diese neuen einfachen Erlebnisse brachte, bin ich dankbar für Schule und Kindergarten.

Diese Einrichtungen off en zu halten, wurde in diesem Jahr oft als oberste Maxime ausgesprochen, doch de facto gab es eine andere oberste Maxime – Familie blieb off en, wenn auch nur unbewusst, weil es wohl zu selbstverständlich scheint. Die Forderung, Familien zu schließen und dafür die Kinder in den Schulen zu belassen, oder an der Arbeit zu bleiben und nicht zu der Familie nach Hause zu kommen, wurde – Gott sei Dank – von keinem Akteur gefordert. Die Institution Familie wurde nicht geschlossen. Sie ist die wichtigste Einheit – dies bleibt meist unausgesprochen. Doch 2020 hat gezeigt: Familie ist unantastbar.

Familie braucht Zeit; freie Zeit. Zeit, in der man als Familie zusammen ist und sich ohne Druck und Ängste frei entfalten kann. Machen wir uns dies bewusst und schaff en wir gute Rahmenbedingungen für Familie.

Ich habe die Hoffnung, dass im Jahr 2021 diverse Aktionen durchgeführt werden, damit es diese kostbare Zeit für meine Familie aber auch für alle anderen Familien in unserem Land geben wird. Schaff en wir Raum für Zeit mit Familie.

Gabriele Heymann, Geschäftsführerin und Inhaberin des Autocenters Sonneberg

Den Beginn der Krise habe ich als sehr beängstigend empfunden. Die Ausgangssperre im März, der Betrieb lief mit Notbesetzung, morgens fast kein Mensch auf der Straße. Ein Großteil der Mitarbeiter musste zu Hause bleiben, weil Schulen und Kitas dicht waren. Das hat sich dann aber schnell stabilisiert: Nach der Kurzarbeit im April und auch noch ein bisschen im Mai wird bei uns seit Juni wieder voll gearbeitet. Zwar sind unsere Firmenkunden aufgrund des geringeren Dienstwagenbedarfs ein bisschen zurückhaltend, aber die Auftragsbücher waren gleich zu Jahresanfang gut gefüllt und auch über Sommer und Herbst sind sowohl Kundendienst als auch Verkauf gut gelaufen. Corona-Hilfen haben wir keine in Anspruch nehmen müssen. Worüber ich allerdings ein bisschen wütend bin, ist die Situation an unseren Schulen. Mein Eindruck ist, dass der Sommer komplett verschlafen wurde. Was digitalen oder Hybrid-Unterricht angeht, könnten und müssten wir heute schon viel weiter sein. Wegen der Infektionsgefahr für meine Mitarbeiter und Kunden habe ich meine Azubis zuletzt auch nicht mehr in die Berufsschule nach Hildburghausen geschickt, selbst als die noch off en war. Das gab erst ein bisschen Ärger, aber siehe da, auf einmal geht es auch digital.