10 FRAGEN 10 ANTWORTEN

Herr Hose, wie nah ist der so genannte Regelbetrieb denn tatsächlich am Vor-Corona-Unterricht

Wenn man von den Masken absieht, ist das schon recht normal. Aber natürlich ist die Verunsicherung in jeder Beziehung groß. Und einige Klassen mussten ja bereits wieder nach Hause geschickt werden.

Spüren Sie diese Verunsicherung bei Ihren Schülern?

Ja. Einerseits sind viele Schüler froh, wieder geordneten Unterricht zu haben, Freunde zu treffen, eine Struktur im Tag zu haben. Andererseits bringen sie auch Probleme von zu Hause mit. Eltern sind in Kurzarbeit oder die Familienbetriebe stecken in finanziellen Schwierigkeiten durch Corona. Das belastet die Schüler und das merke ich als Lehrer auch. 

Hinzu kommt - mal bezogen auf die Lernziele - ein verlorenes letztes Halbjahr? Muss jetzt nicht wahnsinnig viel nachgeholt werden?

Das ist unterschiedlich. Viele Kollegen haben einen großartigen, engagierten Fern-Unterricht gemacht. Andere Kollegen haben sich zurückgezogen. Thüringen hat die Schulen auf den digitalen Unterricht einfach nicht gut vorbereitet. Es fehlt an entsprechender Schulung der Kollegen, Tablets, Internetanschlüssen in den Schulen und – zumindest auf dem Land – auch in den heimischen Arbeitszimmern. Und dann haben einige Kollegen auch noch einen auf den Deckel bekommen, als sie eigene Initiative gezeigt haben.

“Thüringen ist nicht gut auf den HeimUnterricht vorbereitet”

Michael Hose Lehrer

Da sprechen Sie jetzt auch über sich selbst. Ihnen ist Thüringens oberster Datenschützer auf´s Dach gestiegen, nachdem Sie mit Ihren Schülern eine Methode gefunden hatten, digitalen Unterricht anzubieten.

Die Idee kam sogar von den Schülern selbst. Die haben gesagt, wir treffen uns sowieso auf einer Internetseite, wenn wir online miteinander kommunizieren. 

Da können wir uns in größeren Gruppen per Video, Sprach- oder Textnachrichten austauschen. Und über diese Seite haben wir dann den Unterricht gemacht und als Klasse die Verbindung zueinander gehalten.

Bis Lutz Hasse, Thüringens oberster Datenschützer dahinter kam… Was war da los? 

Er hat mir und anderen Kollegen ja bislang immer wieder öffentlich Bußgelder angedroht, aber bis auf immer neue Fragen kam noch kein konkreter Vorwurf in Richtung meiner Person. Trotzdem haben meine Kollegen und die Eltern mit Kopfschütteln auf Herrn Hasses öffentliche Äußerungen reagiert.

Es heißt, die Internetseite laufe über amerikanische Server und dürfe daher nicht für Unterricht genutzt werden.

Das habe ich auch gehört. Aber diese Begründung wäre absurd. Am Anfang der Schulschließung hatten wir keine gute Möglichkeit, um mit unseren Schüler zu kommunizieren. Als engagierte Pädagogen haben wir gehandelt. Und es wurden ja auch keine sensiblen Daten preisgegeben. In dieser Situation war es mir und ich glaube auch meinen Schülern völlig egal, ob die Amerikaner uns beim Geschichtsunterricht zuhören.

Also alles völlig unbegründet?

Datenschutz ist wichtig, keine Frage. Und hätte Herr Hasse mir einen freundlichen Hinweis gegeben, dass es da ein Datenschutzproblem gibt und eine realistische Alternative vorgeschlagen, wäre das doch nicht zu beanstanden gewesen. Aber Herr Hasse hat nicht beraten. Das werfe ich ihm vor.

Würden Sie das Bußgeld zahlen?

Herr Hasse wurde parteiübergreifend und vom Bildungsministerium, das übrigens während dieser Zeit von Herrn Hasse beanstandete Konferenzsoftware nutzte, die auch über amerikanische Server lief, deutlich kritisiert. Auch Hasses Amtskollegen in anderen Bundesländern kritisierten dessen Amtsverständnis. Und ich habe lange nichts mehr von ihm gehört. Gegen ein Bußgeld würde ich gerichtlich vorgehen.

Droht diese Farce denn bei einem wiederholten Lockdown nochmal?

Thüringen hat inzwischen reagiert. Es gibt jetzt eine datensichere Schulcloud, die von Thüringer Schulen genutzt werden kann. Das ist alles etwas umständlich in der Bedienung und erst die Hälfte der Schulen ist registriert. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Schüler Rechner oder Tablets besitzen. Daran wird Dank des Digitalpaktes des Bundes gearbeitet.

Sie selbst sind ja nicht nur Lehrer, sondern auch in der Lehrerausbildung eingesetzt. Inwieweit geben Sie die Erfahrungen mit dem Lock-Down an Ihre jungen Kollegen weiter?

In der Ausbildung der Lehramtsanwärter sind Praktiker unterwegs. Da spielt das Thema seit einigen Jahren eine größere Rolle. Wir haben die Aufgabe, in solchen Situationen mit Schülern und Eltern in Kontakt zu bleiben. Und die zurückliegenden Monate haben mir gezeigt, dass dieser Aspekt des digitalen Unterrichtens in der universitären Ausbildung meiner jungen Berufskollegen noch zu kurz kommt.