Die Evangelische Grundschule in Sömmerda zieht nach einem Jahr Corona-Unterricht Bilanz

„Wir sind bislang gut durch diese Zeit gekommen“, sagt der Pädagoge und Digitalbeauftragte Paul Menz. Vieles sei anstrengend gewesen. Manche Schüler hätten sich im Lockdown verschlechtert, andere verbessert. Der Unterricht habe sich zwar vorwiegend auf die Kernfächer konzentriert, doch er sei vielfältiger geworden. „Ich bin überzeugt“, sagt der stellvertretende Schulleiter Benedikt Jung, „insgesamt können wir aus dieser Krise Dinge für unsere Arbeit mitnehmen, die Schule einfach besser machen wird.“

Auf die Frage von Lehrerin Jana Becker schnellen gleich mehrere Arme hoch. Wortgruppen werden heute hier im Deutschunterricht behandelt. Die acht Jungen und Mädchen im Klassenraum sind mit Eifer dabei. Doch sie sind nicht die einzigen, die die Pädagogin im Auge behalten muss. Unmittelbar vor ihr steht auf einem orangen Kinderstuhl ein aufgeklappter Laptop. Ein halbes Dutzend weitere Kinder zeigt der Monitor an. Es ist der Rest der Klasse, zugeschaltet von daheim. Über den Wechselunterricht lassen sich im Klassenzimmer die Mindestabstände einhalten. Mit Webcam und über Lautsprecher verfolgen die Kinder von zuhause den Unterricht nicht nur, sie nehmen auch aktiv daran teil.

„So etwas kann jede Schule machen“, sagt der stellvertretende Schulleiter Benedikt Jung. „Wir hier in der evangelischen Schulstiftung haben keine anderen Voraussetzungen gehabt als andere, staatliche Schulen.“ Geholfen habe allerdings, dass die Evangelische Grundschule bereits vor Corona mit dem Aufbau einer datenschutzkonformen Kommunikationsplattform via Smartphone begonnen hatte. Ursprünglicher Zweck war dabei den direkten, papierlosen Draht zu den Eltern ihrer Schüler zu schaffen. „Darauf haben wir vor einem Jahr dann schnell aufbauen können. Die Aufgaben kamen so direkt in die Elternhäuser und von dort aus – etwa als hochgeladene Fotos aus den Schulheften – wieder zu den Lehrern und Lehrerinnen zurück“, so Menz.

  • Die Evangelische Schulstiftung Mitteldeutschland wurde 2008 von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland errichtet.
  • Sie betreibt 24 Bildungseinrichtungen in Thüringen und Sachsen-Anhalt an 15 Standorten.
  • Alle Schulen sind staatlich anerkannt.
  • 5300 Kinder und Jugendliche im Alter von 2 bis 20 Jahren lernen hier.
  • 640 Mitarbeitende mit einem Altersdurchschnitt von 44 Jahren unterrichten und betreuen die Kinder.

Sowohl Menz als auch Jung entsprechen dabei keineswegs dem Klischee von alternden Pädagogen, die von antiquierten Schreibtischen aus die Geschicke ihrer Einrichtunglenken. Beide sind mit 27 beziehungsweise 29 Jahren jung, offen für neue Unterrichtsideen und konnten so auch die älteren Kollegen und Kolleginnen für den digitalen Unterricht gewinnen. „Natürlich haben wir uns alle gefreut, als nach den Lockdowns der Präsenzunterricht wieder los ging“, sagt Jung. Ebenso wie die Kinder, die sowohl aus Sömmerda, aber auch den umliegenden Gemeinden kommen. Aber sie haben eben der Kollegenschaft auch die nötigen Freiräume gegeben, wie sie ihren Video- und Fernunterricht gestalten wollten. Herausgekommen sind Videos für das Fach Musik, in denen die Kinder Takt-Übungen machen konnten, Fernkunst-Projekte (die Ergebnisse wurden einfach in den Briefkasten der Schule geworfen) und natürlich das Einmaleins des Grundschul-Lernstoffs in den unterschiedlichsten Darreichungen.

Nach einem Jahr Corona und den damit verbundenen unterschiedlichen Phasen des Lockdowns blickt die Evangelische Grundschule inzwischen auf die unterschiedlichsten Arten von Fernunterricht zurück. „Wir hatten die Kinder live in der Klasse und der Lehrer war daheim. Wir hatten es genau umgekehrt. Wir haben Unterrichtsstunden aufgezeichnet und den Kindern per App geschickt. Wir haben Aufgaben hin und her geschickt. Und eben den Wechselunterricht“, zählt Lehrer Benedikt Jung auf. Und er sieht bei aller persönlichen Mehrbelastung der Lehrer durchaus auch die guten Seiten der Krise für Thüringens Schulen. „Dort, wo es funktioniert, haben wir einen unglaublichen Modernisierungsschub in den Schulen.“ Angefangen von der verbesserten Medienkompetenz schon der Erstklässler, über neue Formen der Unterrichtsgestaltung mit Tablets und Beamern. „Und einiges wird bleiben“, ist sich Jung sicher. Neulich erst sei er von einer krankgeschriebenen Schülerin gefragt worden, ob sie den Unterricht per Laptop verfolgen dürfe. „Das muss sicher noch rechtlich geprüft werden. Aber grundsätzlich kann ich mir das vorstellen, wenn es beispielsweise nur ein verknackster Fuß ist, der das Kind zu Hause hält.“

Von Matthias Thüsing