Rainer Wendt, den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)

Im Allgemeinen fühlen sich die Bürger in Deutschland zwar sicher. Doch laut Forsa gaben im Frühjahr 2018 dennoch 44 Prozent der Befragten an, sie würden sich heute weniger sicher als noch vor wenigen Jahren fühlen. Woran liegt das?

Wendt: Da kommt einiges zusammen. Zum einen gab es ja tatsächlich spektakuläre Gewaltakte, auch Terror. Zum anderen verbreiten sich Nachrichten über Verbrechen durch die Sozialen Medien heute viel schneller und vor allem weiter. Was früher ein lokales Ereignis war, ist jetzt plötzlich ein nationales. Und dann hat auch die Präsenz der Polizei auf der Straße abgenommen.

Mohring: In der Tat leben wir in einem sehr sicheren Land. Die Zahl der Straftaten hat sich nicht gravierend verschoben und die Aufklärungsquote ist hoch. Doch man kann auch nicht daran vorbeisehen, dass die Aggressivität insgesamt gewachsen ist, auch gegenüber Polizisten und Rettungskräften.

Wendt: Nicht allein gegenüber diesen Kräften, sondern gegenüber öffentlichen Bediensteten insgesamt. Das weist für mich auch auf einen Autoritätsverlust des Staates insgesamt hin. Wir brauchen eine Erziehung zur Rechtstreue.

Für nicht wenige Bürger verbindet sich die wachsende Verunsicherung mit dem gewachsenen Anteil an Ausländern, die als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind.

Mohring: Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik für Thüringen kann man daran nicht vorbeisehen. Während der Anteil der Ausländer an allen Tatverdächtigen 2013 noch bei gut sechs Prozent lag, liegt er aktuell bei rund 14 Prozent, obwohl nur vier Prozent der Thüringer Wohnbevölkerung keinen deutschen Pass haben. Bei der Gewaltkriminalität ist das Missverhältnis noch augenfälliger. Vor fünf Jahren war in Thüringen nicht einmal jeder zehnte Tatverdächtige Ausländer, heute ist es gut jeder vierte.

Wendt: Ein anschauliches Beispiel sind Messerattacken. Bei diesen Delikten sind junge Männer aus einigen afrikanischen Regionen oder Nahost deutlich überrepräsentiert, weil sie ihre Messerkultur mit nach Deutschland bringen. Ausdrücklich füge ich hinzu: Sie sind es aber nicht allein.

Das Problem beschreiben ist das eine, es zu lösen etwas anderes. Was kann man tun?

Wendt: Man kann zum Beispiel die Möglichkeiten erleichtern, Gefahrengebiete auszuweisen, in denen dann leichter verdachtsunabhängige Kontrollen durchgeführt werden dürfen. Und wenn es so schwer ist, ausländische Intensivtäter abzuschieben, dann muss man eben darüber nachdenken, wie man sie sicher unterbringen kann. Zum Beispiel in den AnKER-Zentren. Wieso kann man nicht durchsetzen, dass sich diese jungen Männer nachts in den Unterkünften aufhalten? Dass sie sich an und abmelden, wenn sie eine solche Einrichtung verlassen. Jedem Wehrdienstleistenden wurde das auch abverlangt.

Mohring: Die zentrale Unterbringung wäre vor allem deshalb wichtig, weil die öffentliche Wahrnehmung von Intensivtätern bestimmt wird, die ganze Kleinstädte in Atem halten. So war das auch in meiner Heimatstadt Apolda. Das ist pures Gift für das Zusammenleben. Es ist absolut unverantwortlich, dass die rot-rot-grüne Landesregierung solche Risikopersonen im ganzen Land verteilt. Damit wird auch die Mehrheit der friedlichen Ausländer in Misskredit gebracht, die sich integrieren wollen.

Die CDU hat deshalb in der letzten Landtagssitzung vor Weihnachten ja auch die Einrichtung eines Sonderstabs im Thüringer Migrations- und Justizministerium gefordert, der für zügigere Abschiebungen bei Problemfällen sorgen soll.

Mohring: Wir haben uns da von der grün-schwarzen Regierung in Baden-Württemberg anregen lassen. Dort gibt es bereits seit Anfang 2018 einen „Sonderstab gefährliche Ausländer“, bei dem die Fäden zusammenlaufen und der sehr erfolgreich arbeitet. Ausländische Intensivtäter, Gefährder und Integrationsverweigerer haben in Deutschland nichts verloren.

Wendt: Das geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich einer Abschiebung zu widersetzen. Schon dass Abschiebungen angekündigt werden müssen, ist für manche doch fast so wie eine Aufforderung, unterzutauchen. Beteiligt sind vier Behörden auf sämtlichen Verwaltungsebenen. Ich gehe noch weiter: Für diese erwähnte, besonders problematische Gruppe sollte nach meiner Überzeugung die Zuständigkeit vollständig auf den Bund übertragen werden.

Lassen Sie uns noch einmal einen Blick auf die Polizei selbst werfen. Als Schutz im Einsatz werden allenthalben sogenannte Body Cams gepriesen. Kleine Schulterkameras, die Einsätze dokumentieren. Rot-Rot-Grün in Thüringen steht auf der Bremse. Warum?

Mohring: Wir als CDU-Fraktion fordern die Body Cams schon lange. Der Innenminister würde sie eigentlich gern einführen, aber die LINKE will nicht. Der in diesem Fall wirklich faule Kompromiss: Ein weiteres Pilotprojekt nach einem bereits erfolgreichen Ersten. Die Hardcore- Sozialisten haben sich mit ihrem krankhaften Misstrauen gegen die Polizei wieder einmal durchgesetzt.

Wendt: Das ist bedauerlich. Die Body Cams werden jetzt eigentlich überall eingeführt. Denn eines hat sich ganz klar gezeigt: Wer damit rechnen muss, dass er gefilmt wird, ist zurückhaltender. Diese Kameras helfen wirklich, Gewalt gegen Polizisten zu verhindern. Das gleiche gilt übrigens für Elektroimpulsgeräte, sogenannte Taser. Wird deren Einsatz durch einen Warnton angekündigt, ist die Bedrohung meist zu Ende, bevor sie entsteht. Leider macht jedes Land sein eigenes Ding. Jedes Polizeiaufgabengesetz ist anders.

Mohring: Diese Geräte in Thüringen zu testen, hat Rot-Rot-Grün leider auch abgelehnt. Ich hoffe sehr, dass die Ramelow-Regierung nicht auch noch das Polizeiaufgabengesetz verpfuscht. Die wollen tatsächlich die Befugnisse der Polizei reduzieren, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Diese Koalition ist ein Sicherheitsrisiko.

Allzu viel Grund zu Optimismus besteht da aber nicht. Zurzeit berät eine Enquetekommission des Landtags Maßnahmen gegen angeblichen Rassismus in der Polizei und gegen sogenanntes „Racial Profiling“…

Wendt: Da geht es um die Behauptung, die Polizei kontrolliere Menschen nur aufgrund ihrer Herkunft und ihres Aussehens häufiger als andere. Das ist absoluter Quatsch, denn das ist verboten und findet auch nicht statt. Ob eine Person kontrolliert wird, hängt zum Beispiel davon ab, wie sie sich verhält, mit wem sie wie unterwegs ist, was sie mitführt. Das alles wird eingeschätzt, nach Erfahrungswerten und dem gesunden Menschenverstand. Dass Rot-Rot-Grün damit ein Problem hat, kann ich verstehen. Es ist doch völlig klar: Rassisten gehören nicht in die Polizei.

Mohring: Wir haben mit dieser Landtagskommission, die Diskriminierung und Rassismus untersuchen soll, große Bauchschmerzen. Statt am einzelnen Menschen anzusetzen und ihn zu Respekt und Toleranz zu erziehen, wie wir das für richtig halten, wittern Linke überall in den staatlichen Strukturen „Rassismus“. Da baut Rot-Rot-Grün einen Popanz auf. Das Ergebnis dieser Hirngespinste sind Misstrauen und Gängelei. Wir werden alles tun, damit das nicht auch noch zum Gesetz wird.

Wie wäre es denn, mehr Polizisten mit Migrationshintergrund einzustellen, so wie Rot-Rot-Grün das vorschlägt? Das würde derartigen Vorwürfen doch auch das Wasser abgraben?

Wendt: Polizisten, die nicht seit Generationen deutscher Herkunft sind, gehören in vielen Bundesländern ganz selbstverständlich zur Polizei. Im polizeilichen Alltag macht das keinen Unterschied und darf auch keinen machen, denn für jeden Beamten gelten Recht und Gesetz. Der Teamgeist der Polizei hat keine Hautfarbe. Dass ein Polizeibeamter bestimmte Milieus und Mentalitäten kennt, ist dabei natürlich nicht von Nachteil. Als Vorsitzender einer Gewerkschaft sage ich aber auch: Einstellungen gibt es nicht nach Quoten, sondern nach Befähigung und Eignung.

Mohring: Das ist der entscheidende Punkt. Wer einen deutschen Pass hat, kann auch Polizist werden. Bewerber sind willkommen, denn bei der Ausbildung von Polizeibeamten hinkt Thüringen hinterher. Am Ende geht das Leben doch ganz praktisch: Die jungen Männer und Frauen müssen auf diesen Berufsweg hingewiesen und ermutigt werden, sich für die Laufbahn zu bewerben. Und dann läuft der übliche Auswahlprozess ab, ohne Ansehen der Person. Tatsache ist aber auch, dass diese Gruppe in Thüringen sehr klein ist.

Herr Wendt, Herr Mohring, ich danke für das Gespräch.