Lars Oschmann, den Vorsitzenden des Thüringer Feuerwehrverbandes

Zu Jahresbeginn versanken Teile des Alpenraumes im Schnee. In einigen Landkreisen wurde Katastrophenalarm ausgerufen. Die Feuerwehren waren tagelang im Dauereinsatz. Wie gut sind die Thüringer Wehren heute auf solche Extremwetterlagen vorbereitet? Sei es Schnee, Regen oder Sturm?

Oschmann: Technisch sind wir gut ausgerüstet. Wir haben seit der Wende massiv in die Ausrüstung investiert, auch wenn es immer etwas zu verbessern gibt. Und weil sie Sturm und Regen genannt haben: Dass wir auf extreme Wetterlagen gut vorbereitet sind, haben wir ja bereits 2013 bei der großen Flutkatastrophe in Thüringen unter Beweis gestellt. Wir konnten natürlich nicht alles verhindern. Aber ohne die Arbeit der Feuerwehren und ihren Partnern vom Technischen Hilfswerk, den vielen Bauhöfen und Bürgern im Land, die mit angepackt haben, wäre das Ausmaß der Schäden deutlich größer gewesen.

Mohring: Und vergessen wir nicht die Leistung der Feuerwehren in diesem Hitzesommer. Da wurde großartige Hilfe geleistet. Wie viele Brände waren es nochmal?

Oschmann: Laut Landesforstverwaltung allein 40 Waldbrände auf einer Fläche von elf Hektar. Hinzu kamen noch zahlreiche Wiesen und Felder, die infolge der extremen Trockenheit in Brand gerieten.

Wenn es immer noch etwas zu verbessern gibt - woran denken Sie beide da?

Mohring: Die Ausbildung der Kameraden und Kameradinnen ist ein wichtiger Punkt. Dazu zählt sowohl die personelle Absicherung als auch die sachgemäße Aufstockung der Ausbildungskapazitäten in der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Bad Köstritz. Hier gab und gibt es noch immer viel Nachholbedarf, da Rot-Rot-Grün die zugesagten Stellen noch immer nicht vollständig besetzt hat. Die hohe Anzahl an ausgefallenen Unterrichtsstunden in den letzten Jahren darf kein Dauerzustand bleiben.

Oschmann: Einerseits ist es wichtig, die notwendigen Bau und Sanierungsmaßnahmen endlich voranzutreiben. Die Sanierung kommt seit Jahren eher schleppend voran. Andererseits hat es lange Zeit an Stellen in der Feuerwehrschule gefehlt. Inzwischen sind zwar vier Stellen neu geschaffen. Aber zwei davon konnten bis heute nicht besetzt werden. Und für 2019 steht zu befürchten, dass erneut drei Stellen nicht besetzt werden können. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Landesfeuerwehrschule in Bad Köstritz nicht sonderlich zentral liegt. Aber mit der Lage der Einrichtung müssen wir leben.

Wie aber kann man dem Stundenausfall entgegenwirken?

Oschmann: Der Betrieb an der Feuerwehrschule muss auf ein Maß zurückgefahren werden, bei dem nicht massenhaft Lehrgänge ausfallen. Das wichtigste für die Feuerwehrleute ist eine funktionierende Feuerwehrschule. Im Innenministerium stellt sich derzeit niemand die Frage, welche Lehrgänge zwingend abgesichert werden müssen. Deshalb fordern wir als Feuerwehrverband für die Lehrgänge eine Prioritätenliste ein, die sich an den tatsächlichen Kapazitäten orientiert.

Mohring: Es wurde in Bad Köstritz in den letzten Jahren viel investiert, beispielsweise die Einrichtung einer Trockenübungsstrecke, einer Anlage für die Heißbrandausbildung, sowie die Eisen– und Straßenbahntunnelausbildungsanlage. Es wäre doch fatal, wenn das jetzt nicht genutzt wird. 

Oschmann: Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu. Aber es hilft uns keine Eisenbahnübungsanlage oder eine Diskussion um internationale Waldbrandbekämpfungskurse, wenn die Basisausbildung nicht abgesichert werden kann. An der Eisenbahnübungsanlage werden Lehrkraftkapazitäten gebunden, die wir anderswo, bei der Basisausbildung, viel dringender brauchen. Das Innenministerium muss nicht nur erkennen, dass es ein Problem an der Landesfeuerwehrschule gibt, sondern entsprechend handeln. Und ich rede hier nicht einmal von der Ausbildung der Führungskräfte …

Und wenn Sie doch darüber reden?

Oschmann: Ohne ausgebildete Führungskräfte habe ich keine Gruppen- und Zugführer sowie keine Leiter von Feuerwehren und damit auch keine Einsatzleiter. Diese Ausbildung muss an der Feuerwehrschule stattfinden – und zwar vor allen anderen. Wir müssen die Führungskräfte ohne Probleme ausbilden können. Einsätze ohne ausgebildete Einsatzleitung, das funktioniert in keinem Feuerwehreinsatz auf Dauer. Wir sind ja jetzt schon froh, dass wir in allen Feuerwehren derzeit noch Führungskräfte finden.

Wann werden sich erste Feuerwehren abmelden müssen, weil es keine Führungskräfte mehr gibt?

Oschmann: Ausrücken können die Feuerwehren zwar, aber mittelfristig wird es das Problem mit der Einsatzführung geben, die ja in der Feuerwehrdienstvorschrift klar geregelt ist. Zudem haben wir bei weniger Gruppenführern und Zugführern das Problem der Arbeitsverdichtung im Ehrenamt. Wenige müssen dann immer noch mehr machen. Das wird nicht gut gehen.

Mohring: Dreh- und Angelpunkt der politischen Arbeit muss die Erhöhung der Attraktivität des Ehrenamtes sein, um Anreize für potenzielle Feuerwehrleute zu schaffen. Die bereits bestehende anteilige Finanzierung von LKW-Führerscheinen durch das Land oder die Feuerwehrrente sind dafür wichtige Bausteine.

Wie sieht es denn in den Feuerwehren aus mit den meist ehrenamtlichen Helfern?

Oschmann: Die Feuerwehren brauchen mehr hauptamtliches Personal – zur Entlastung der ehrenamtlichen Feuerwehrleute. Im Jahr 2000 haben wir mit dem Innenministerium über Geld gestritten. Heute reden wir über das Personal. Rund 30.000 Einsätze absolvieren die Thüringer Feuerwehrleute jedes Jahr. Manche Wehren rücken bis zu 300 Mal im Jahr aus. Das ist ehrenamtlich auf Dauer nicht zu schaffen.

Mohring: Flächendeckend hauptamtliche Strukturen zu schaffen ist nicht finanzierbar. Sinnvoll könnte es dagegen sein, den Aufgabenkatalog der Feuerwehren zu entschlacken. 70 Prozent der Einsätze entfallen auf so genannte „Hilfeleistungen“. Da wird der Verkehr bei Veranstaltungen geregelt, es werden Türen geöffnet oder Bäume von der Straße geräumt. Das könnten zuvorderst auch andere Dienstleister erledigen. Zudem müssen wir die Nachwuchsgewinnung verstetigen, damit die ehrenamtliche Arbeit – für die wir im Übrigen sehr dankbar sind – auf möglichst vielen Schultern verteilt werden kann.

Wie wollen Sie denn Nachwuchs gewinnen?

Mohring: Insgesamt sehe ich, dass die Landesregierung das Thema eher stiefmütterlich behandelt. Zwar wurde schon vor fast zwei Jahren angeregt, die Brandschutzerziehung an den Schulen zu intensivieren. Das bringt ja schon Schüler mit der Feuerwehr in einen ersten Kontakt. Aber seitdem ist leider nicht viel passiert. Dabei sind die Jugendfeuerwehren so wichtig. In vielen Orten ist das die einzige Organisation, die noch regelmäßige Freizeitangebote für die Kinder und Jugendlichen anbietet.

Angesichts der sich häufenden Meldungen zu Übergriffen auf Rettungskräfte und damit auch Feuerwehren –  stellen Sie fest, dass das positive Bild der Feuerwehr in der Bevölkerung Schaden genommen hat?

Oschmann: Nein. Das sind zum Glück Einzelfälle. Auch wenn wir beobachtet haben, dass die Hemmschwelle in den vergangenen Jahren gesunken ist, stellen Angriffe auf unsere Feuerwehrleute im Einsatz alles andere als ein Massenphänomen dar. Silvester zum Beispiel hatten wir landesweit viel zu tun. Gestört oder angegriffen bei unserer Arbeit wurden wir dabei nicht.

Mohring: Und trotzdem muss die Gesellschaft sich solchen Angriffen mit allem Nachdruck entgegen stellen. Solche Taten sind unverantwortlich. Und deswegen gehören solche Leute vor Gericht gestellt. Feuerwehren retten, helfen, bergen. Die Kameraden machen das mit großem Engagement und meist in ihrer Freizeit. Deswegen verdienen sie auch den größtmöglichen Schutz seitens des Rechtsstaats. Hartes und entschlossenes juristisches Handeln schreckt hier sicherlich Nachahmer, denen es nicht passt, dass ein Feuerwehrfahrzeug im Einsatz die eigene Grundstücksausfahrt blockiert, ab.     

Herr Oschmann, Herr Mohring. Vielen Dank für das Gespräch.