Mohring trifft: Dr. Klaus Wagner, den Präsidenten des Thüringer Bauernverbandes

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„Dann geht in vielen Betrieben das Licht aus“

Herr Dr. Wagner, auf dem Weg in Ihr Büro sind wir durch ein großes Schild begrüßt worden: „Stoppt Landfraß.“ Ist das nicht etwas übertrieben im dünn besiedelten Thüringen?

Wagner: In Thüringen leben immer weniger Menschen, doch der Landwirtschaft wird immer mehr Land entzogen. Pro Tag allein in Thüringen acht Hektar. Da geht biologische Vielfalt verloren. Wieso wird Gewerbe nicht auf den zahlreich vorhandenen Industriebrachen angesiedelt? Es bringt nichts, als Ausgleichsmaßnahme für die Versiegelung dann auch noch Äcker zu bepflanzen. Richtig wäre, Flächen wieder zu entsiegeln.

Mohring: Völlig richtig. Land ist ein begrenztes Gut. Am Ende ist entscheidend, was für den Naturschutz herauskommt. Es ist zum Beispiel besser, bereits vorhandene Ausgleichsflächen zu pflegen und aufzuwerten, statt die xte Streuobstwiese anzulegen. Bei den Landwirten liegt das in guten, fachlich versierten Händen.

Haben Sie tatsächlich den Eindruck, dass im Landtag alle meinen, die Landwirte seien die berufenen Ansprechpartner für den Natur- und Umweltschutz?

Mohring: Leider gibt es immer wieder Wortmeldungen, die grenzen an die Diffamierung einer ganzen Branche. Da glaubt man, den Landwirten immer engere Zügel anlegen zu müssen. Versachlichung wäre dringend erforderlich. Wir setzen lieber auf Entscheidungsfreiheit statt Gängelei und Bevormundung. Die Vorstellung, dass Bauern die natürlichen Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz zerstören, ist schon seltsam.

Wagner: Stimmt. Die Art und Weise, wie gelegentlich über die Landwirtschaft berichtet wird, ist befremdlich. Danach sind Landwirte Menschen, die den Boden mit Pestiziden und Düngemitteln vollsprühen, Boden und Trinkwasser belasten. Der Zweck der Landwirtschaft kommt kaum vor, nämlich Lebensmittel zu erzeugen. Es gibt ein zweites großes Problem: Das ist die allenthalben gestiftete Unsicherheit, wo wir für Investitionen Planungssicherheit bräuchten.

Das heißt was?

Wagner: Zwei Beispiele. Seit Ende 2016 ist ein Urteil zur Schweinehaltung rechtskräftig, das sich mit der Größe der sogenannten Kastenstände beschäftigt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe berät über die Konsequenzen. Doch eine Entscheidung steht noch immer aus. Wer soll da investieren? Oder der Filtererlass der grünen Thüringer Umweltministerin Siegesmund. Er regelt die Abluft aus Ställen. Doch des Tierwohls wegen sollen die Tiere raus. Wie misst man dann denn die Abluft beim Auslauf? Man kann nicht während des Spiels dauernd die Spielregeln ändern.

Mohring: Insbesondere das Umweltministerium hat immer wieder versucht, Bürokratie und Auflagen durchzusetzen, die Thüringer Landwirte gegenüber anderen benachteiligen. Da haben wir widersprochen. Zu oft gerät aus dem Blick, dass sich ein Agrarbetrieb auch rechnen muss. Die niedrigen Preise lassen nicht viel Spielraum für politische Eskapaden.

Das aktuellste Beispiel ist das Wassergesetz, bei dem heftig um die Breite der Uferrandstreifen gestritten wird. Sie sollen von fünf auf zehn Meter wachsen.

Mohring: In anderen Ländern werden Gewässerrandstreifen auf einen Meter verkleinert. Warum? Weil moderne Technik es ermöglicht, Dünger und Pflanzenschutzmittel gewässerschonend auszubringen, weil kein Landwirt mehr Dünger und Pflanzenschutzmittel verwendet, als er unbedingt muss. Maßnahmen der Landwirte zur Verbesserung der Gewässergüte gibt es längst.

Wagner: Das Wassergesetz ist handwerklich schlecht gemacht. Es gibt keinen Grund, zwischen Ackerflächen und Gewässern zehn Meter Abstand zu halten. Für den Einsatz von Spritz- und Düngemitteln gibt es sehr detaillierte Regeln. Im Widerspruch zu EURecht steht das auch, denn nach einigen Jahren fallen die Streifen aus der Förderung. Wer kümmert sich dann?

Mit solchen Detailfragen halten sich Ihre Kritiker in der Regel nicht auf. Sie verlangen nicht weniger als eine „Agrarwende“

Wagner: Umweltverbände, die solche Begriffe – oder sollte man besser sagen: Worthülsen – in die Welt setzen, denken leider nicht ganzheitlich. Man muss Klima- und Umweltschutz, Haltungsbedingungen, Artenvielfalt – neudeutsch: Biodiversität – und die Erzeugung von Lebensmitteln schon zusammen betrachten.

Mohring: Wohin soll sich die Landwirtschaft denn „wenden“? Die Landwirte in Thüringen produzieren hochwertige Lebens- und Futtermittel, nachwachsende Rohstoffe, einen großen Teil der erneuerbaren Energien und sichern Arbeitsplätze. Mit ihrer Arbeit gewährleisten sie nicht nur die Lebensgrundlage der Menschen, sondern sie prägen unsere Kulturlandschaft. Das wird häufig schlicht verkannt, schlimmer noch: zerredet.

Was aus der Kulturlandschaft bald zu verschwinden droht, sind Schafherden, jedenfalls wenn man den Schäfern glaubt. Wird zu viele Gewese um wenige Wölfe gemacht?

Wagner: Die Schäfer, die lange auf Entschädigung für gerissene Lämmer warten, sehen das nicht so entspannt. Für den Wolf muss es klare Regeln geben, bevor der Bestand über gewisse Grenzen hinaus gewachsen ist.

Mohring: In der Tat. Wir brauchen jetzt die rechtlichen Grundlagen, um zukünftig Wolfsbestände regulieren zu können – und zwar bevor die Situation unbeherrschbar wird. Der Wolf passt nicht zu der für die Thüringer Kulturlandschaft so wichtigen Weidetierhaltung. Ich registriere auch die wachsende Sorge, dass einzelne Tiere oder Rudel ihre Scheu vor dem Menschen verlieren.

Die Spielregeln bestimmt in der Landwirtschaft zum größten Teil die Europäische Union…

Wagner: … deshalb muss sie auch dafür sorgen, dass dieses Recht überall einheitlich angewandt wird. Die Standards für den Umweltschutz und das Tierwohl verursachen allein in Deutschland jährlich Mehrkosten von etwa fünf Milliarden Euro. Es ist gut, dass es die Standards gibt, doch die kann niemand ohne Zuschüsse erwirtschaften. Gemeinsame europäische Agrarpolitik kann dann nicht heißen, dass in einigen Mitgliedstaaten nicht so genau hingeschaut wird wie in anderen.

Mohring: Ohne faire Wettbewerbsbedingungen geht es nicht. Dazu müssen wir unseren Einfluss in Europa geltend machen, sollten den allerdings nicht überschätzen. Wofür wir auf jeden Fall sorgen können und müssen ist aber: Keine deutschen, oder gar Thüringer Alleingänge bei weiteren Auflagen und Standards!

Doch schon beim Geld sind sich die deutschen Länder nicht einig. Je nachdem ob die kleineren oder größeren Betriebe vorherrschen. Stichwort Direktzahlungen.

Mohring: Für die gemeinsame Agrarpolitik der EU haben wir klare Ziele. Es darf keinerlei Benachteiligung von Landwirtschaftsbetrieben geben, nur weil sie größer sind oder größere Tierbestände haben. Gleiches gilt für die Rechtsform oder die Art der Landwirtschaft: ökologisch oder konventionell. Eine weitere Umverteilung zu Lasten Thüringens darf es nicht geben.

Wagner: Wir haben in diesem Teil Deutschlands aus historischen Gründen nun einmal große Betriebe. Wenn die europäischen Zuschüsse ab einer bestimmten Größe gekappt werden oder geringer ausfallen, geht in vielen Betrieben das Licht aus. Zig Millionen Euro fließen dann in andere Teile Deutschlands. Das würde Folgen für die Wertschöpfung und die Steuereinnahmen in Thüringen haben, übrigens gerade bei den Gewerbesteuern.

So wichtig wie die Zahlungen sind die Fachkräfte. 19 000 Menschen sind in der Land- und Forstwirtschaft Thüringens beschäftigt. Drücken Nachwuchssorgen?

Wagner: Da geht es der Landwirtschaft wie anderen Wirtschaftszweigen. Es ist nicht leicht, ausscheidende Fachkräfte zu ersetzen. Die Berufsschule in Schwerstedt und die Fachschule in Stadtroda bieten eigentlich gute Voraussetzungen, aber es gibt schwerwiegende Probleme. An beiden Standorten ist die Personalsituation äußerst angespannt.

Mohring: Sie ist damit ein Ausschnitt der rot-rot-grünen Schulmisere. Entscheidend ist, dass das Angebot für die Berufsbildung, die überbetriebliche Ausbildung und die Fachschulfortbildung nicht allein gesichert, sondern weiterentwickelt wird. Attraktive Bedingungen heißt im Kern konkurrenzfähige Bedingungen für einen schönen und anspruchsvollen Beruf. Das können die Betriebe und das Land nur gemeinsam leisten.