Gebietsreform: Prozessvertreter der CDU erläutert Vorbehalte gegen Vorschaltgesetz
Ipsen: Verfahrensrechte und kommunale Selbstverwaltung beeinträchtigt
Erfurt – In der Beratung des Gebietsreformvorschaltgesetzes wurden die Rechte der CDU-Fraktion verletzt. Materiell greift das Gesetz in die kommunale Selbstverwaltung ein. Auf diese Punkte werden sich die Klagen konzentrieren, die die CDU-Fraktion beim Thüringer Verfassungsgerichtshof einreichen will. Das ergab sich aus den Ausführungen des Osnabrücker Kommunalrechtlers Prof. Dr. Jörn Ipsen heute in Erfurt. Die CDU-Fraktion hat Ipsen mit der Prozessvertretung betraut. „Wir haben mit Professor Ipsen einen Wissenschaftler gewonnen, der zur Champions-League der Juristen in Deutschland gehört und mit der Materie wie kaum ein anderer vertraut ist. Wir haben von Anfang an angekündigt, in unserem Vorgehen gegen die Gebietsreform alle Möglichkeiten zu prüfen und sie dann auch auszuschöpfen – sowohl politisch im Landtag, als auch rechtlich“, so der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Mike Mohring.
Die Fraktion wird zunächst eine Organklage zur Verteidigung ihrer Rechte als Parlamentsfraktion einreichen. Die Union hatte bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zum Gebietsreformvorschaltgesetz bemängelt, dass ihr umfassender Änderungsantrag im Parlament nicht in angemessener Weise beraten worden ist. „Es ist sehr zu bezweifeln, ob die Rechte der Fraktion bei der Beratung dieses zentralen Gesetzgebungsverfahrens gewahrt worden sind. Über die Vorstellungen der CDU-Fraktion ist die Landtagsmehrheit im Hau-Ruck-Verfahren hinweggegangen“, fasste Ipsen seinen Eindruck zusammen. Mohring ergänzte: „Zudem haben wir uns mit dem Abgeordneten Jörg Geibert verständigt, der im Rahmen des Organstreitverfahrens persönlich als Abgeordneter Klage einreichen wird, um die Verletzung seiner Abgeordneten-Rechte in dem Gesetzgebungsverfahren zum Vorschaltgesetz geltend zu machen.“ Die Klage soll noch im November beim Thüringer Verfassungsgerichtshof sein, da sie innerhalb eines halben Jahres nach dem Gesetzgebungsverfahren anhängig sein muss.
Die umfassendere Normenkontrollklage will die Fraktion Anfang Dezember einreichen. „In dem Verfahren kann und muss geprüft werden, ob neben den Verfahrensrechten der Fraktion auch Rechte der Kommunen verletzt worden sind“, erläuterte der Prozessvertreter und Kommunalrechtsexperte. Inhaltlich werde es darum gehen, das Gebietsreformvorschaltgesetz auf die Vereinbarkeit mit der kommunalen Selbstverwaltung zu prüfen. „Es spricht etliches dafür, dass sie nicht ausreichend berücksichtigt worden ist“, sagte Ipsen. Mohring sagte, die kommunale Selbstverwaltung sei „einfach bei Seite geschoben worden. Durch die überbordende Kommunalisierungsbestrebung verdrängt die staatliche Aufgabenwahrnehmung die des eigenen Wirkungskreises“. Das führe zu „gravierenden verfassungsrechtlichen Bedenken“ gegen das Vorschaltgesetz, die jetzt vollumfänglich zu überprüfen seien.
Der Osnabrücker Wissenschaftler griff zwei Punkte beispielhaft auf. „Wer in die kommunale Selbstverwaltung eingreift, der muss verdeutlichen können, dass die Gebietskörperschaften ihren Aufgaben nicht gewachsen sind und sie hinterher besser erfüllen können. Dazu reicht es nicht aus, schematische Grenzwerte in ein Gesetz zu schreiben“, sagte er wörtlich. Zweifel hegt Ipsen auch mit Blick auf die Landkreise und die geplante Aufgabenkommunalisierung: „In das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung wird auch eingegriffen, wenn Landkreise ihren Charakter soweit verändern, dass sie am Ende vor allem der verlängerte Arm des Staates sind.“ Die kommunale Selbstverwaltung auf Kreisebene könne damit in Frage gestellt sein. „Wir klagen nicht, weil wir politisch gegen das Gesetz sind, sondern weil wir verfassungsmäßige Beschwernisse sehen“, so Mohring abschließend.
Dr. Karl-Eckhard Hahn
Pressesprecher